Kunst und Lernen

Im Zuge der philosophischen und Debatten der letzten 30 Jahre sind Theorien des Schönen und philosophisch inspirierte Theorien medialer Erfahrungen zunehmend in den Vordergrund gerückt.
Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 24. Mär 2025, 08:19






Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 24. Mär 2025, 08:31

Ich denke, dieses Werk ist eher ein paradigmatisches Beispiel für das "Kunstwerk als Schule". Wir lernen (einfach gesagt) am Bild zu welchen Grausamkeiten der Mensch fähig ist, eine Grausamkeit, die alles zerstören kann: Natur, Kultur, den Menschen und die Menschlichkeit selbst.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 24. Mär 2025, 09:23

Ich habe keine feste Meinung dazu, ob man generell das „Kunstwerk als Schule“ betrachten kann oder sollte. Tendenziell bin ich jedoch skeptisch. Dahinter scheint mir eine Art Legitimationskrise zu stehen – die Frage danach, welchem Zweck Kunst eigentlich dient. Wozu ist sie gut? Ach ja, sie ist eine Schule. Damit wäre sie legitimiert. Doch ich glaube nicht, dass Kunst eine solche Legitimation überhaupt braucht.

Das heißt jedoch nicht, dass sie nicht vielleicht dennoch eine Schule ist: Eine Schule des Sehens, wie es manchmal heißt, oder eine Schule der Gefühle oder was auch immer.




Timberlake
Beiträge: 2317
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Mo 24. Mär 2025, 12:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 24. Mär 2025, 08:31
Ich denke, dieses Werk ist eher ein paradigmatisches Beispiel für das "Kunstwerk als Schule". Wir lernen (einfach gesagt) am Bild zu welchen Grausamkeiten der Mensch fähig ist, eine Grausamkeit, die alles zerstören kann: Natur, Kultur, den Menschen und die Menschlichkeit selbst.
Um hier im Hegelschen Sinne der Dialektik zu entsprechen, so möchte ich hier, obgleich es meiner Intension zugegebenermaßen widerspricht, auch auf dessen Gegenteil aufmachen.

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 18. Mär 2025, 07:28

Lernen und Kunst, was ist das für eine Mischung? Heißt Kunst sehen lernen?
So heißt Kunst jenseits dessen ganz sicher auch das Schöne sehen lernen zu können. Wir also umgekehrt lernen (einfach gesagt) am Bild zu welcher .. Liebe! .. der Mensch fähig ist, eine Liebe, die alles schaffen kann: Natur, Kultur, den Menschen und die Menschlichkeit selbst.
Quk hat geschrieben :
Mo 24. Mär 2025, 00:49
("1+1=2" verstehe ich hier in Deinem Satz als Metapher für eine bestimmte politische Haltung. Dass 1+1=2 im mathematischen Sinn wahr ist, ist zeitlos wahr.)
Denn auch das ist , wie dessen Gegenteil, die Grausamkeit des Krieges , gleichsam "1+1=2" im mathematischen Sinn , zeitlos wahr.

Dazu mal ein Beispiel , wo beides, also die Liebe, wie auch der Krieg künstelerisch in einem Werk verarbeitet wurde ...
kollwitz.de hat geschrieben :
Die Mütter, Blatt 6 der Folge »Krieg«, 1921/22


Bild


Die Mütter halten in diesem Blatt ihre zum Teil hervorlugenden Kinder zurück, um sie nicht mehr für den Krieg herzugeben.
Nur was will die Liebe einer Mutter dagegen ausrichten, wenn der Sohn in Krieg will ..
emma.de hat geschrieben :
Sie schickte ihren Sohn in den Tod

Berlin, August 1914. Während in den Straßen die Soldaten unter dem frenetischen Jubel der Menschenmassen im Gleichschritt an die Front ausrücken, herrscht in der Spandauer Wohnung der Familie Kollwitz ein erbitterter Streit. Grund: Sohn Peter will in den Krieg. Erfasst von der patriotischen Euphorie, die im Kaiserreich tobt, will auch er sich freiwillig melden, wie so viele seiner Freunde.

Der Junge ist erst 18, also nicht volljährig. Er fleht seine Eltern an, ihm die Erlaubnis zu geben. „Das Vaterland braucht meinen Jahrgang noch nicht, aber mich braucht es!“ brüllt er. Vater Karl, ein Armenarzt, ist entsetzt. Mutter Käthe ist – dafür.

Zwei Wochen später ist Peter tot, gefallen in Flandern. Und seine Mutter ist tief erschüttert: „Tod fürs Vaterland, das spricht sich so hin. Welch furchtbare Tragödie, welch Triumph der Hölle verbirgt sich hinter der glatten Maske dieser Worte.“

Es mag verwunderlich scheinen, dass es erst dieses persönlichen Dramas bedarf, um bei der Sozialistin Kollwitz die patriotische Blase platzen zu lassen. Aber es ist typisch. (...)
Hätte dieser Sohn tatsächlich aus einer (Antriegs-) Kunst lernen können, doch besser zu Hause zu bleiben, wenn doch in den Straßen die Soldaten unter dem frenetischen Jubel der Menschenmassen im Gleichschritt an die Front ausrücken?




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mo 24. Mär 2025, 15:58

Kunst sehen, hören, machen ist für mich eine Befriedigung. Befriedigung ist lebenswichtig und dient somit, wenn man es denn braucht, auch als Legitimation, meines Erachtens. Wo muss man die Kunst legitimieren? Im Finanzministerium?

Die Befriedigung an sich besteht aus vielen Mosaiksteinen; einer davon mag das Lehrende sein, muss aber nicht. Letztendlich ist jede Erfahrung eine Lehre. Ein anderer Mosaikstein ist zum Beispiel eine bestimmte Gefühlsauslösung, oder Denkanregung, oder ein Faszinations-Trigger. Oder indirekt: Eine Geselligkeitsfunktion im gemeinsamen Sehen, Hören, Machen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 24. Mär 2025, 17:27

Quk hat geschrieben :
Mo 24. Mär 2025, 15:58
Kunst sehen, hören, machen ist für mich eine Befriedigung.
Also nicht lernen?




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mo 24. Mär 2025, 17:34

Die Befriedigung an sich besteht aus vielen Mosaiksteinen; einer davon mag das Lehrende sein, muss aber nicht. Letztendlich ist jede Erfahrung eine Lehre.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 8646
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 24. Mär 2025, 19:09

Apropos Erfahrungen

Das Gemälde von Dix habe ich in Dresden gesehen.
Als ich in dem Museum war, hingen dort auch die Gemälde "Birkenau" von Gerhard Richter.
In einem weiteren Museum, quasi direkt daneben, war eine Ausstellung mit dem Titel "Die Vermessung des Unmenschen" zur Ästhetik des Rassismus.
Alles an einem Tag gesehen. Um es vorweg zu sagen... ich war danach fix und fertig.
Der Gemälde von Dix ist groß, die Gemälde von Richter sind riesig. Besser monströs, was zum Thema passt.
Beim Dix stand ich davor und hatte zuerst Mühe, das alles zu sortieren, was zu sehen ist. Mal nah davor gestanden, mal weiter weg. Es ist brutal. Es erschlägt einen, so richtig, nicht wegen der Größe, sondern durch das was man sieht.
Als ich dann irgendwann weiter ging, traf ich direkt auf Südseebilder von Gauguin. Herrje, was für ein Kontrast. Das ist bei mir neben den Gemälden hängengeblieben, dieser bunte, ruhige, zumindest so erscheinende, friedliche Kontrast.
Dann zum Schluss die anderer Ausstellung.
Wie gesagt, ich war vom Kopf her fix und fertig.



Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 25. Mär 2025, 15:01

8. Juni 2012 | Christov-Bakargiev:

Wissenschaftler und Künstler haben heute gemein, dass sie Rechercheure sind, sie machen Grundlagenforschung. Deswegen haben wir auch Quantenphysiker eingeladen. Das ist der Unterschied der Documenta zum Höhlenmaler und zum Softwaremacher: Die machen angewandte Kunst, keine Forschung.

sueddeutsche




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 25. Mär 2025, 15:17

Interessanter Gedanke. Aber warum erst heute? War das nicht schon immer so? Waren die Höhlenmaler keine Grundlagenforscher?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 25. Mär 2025, 15:32

Gemäß ihrer Sicht anscheinend nicht.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 25. Mär 2025, 15:52

Was ist Deine Sicht?




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 25. Mär 2025, 16:15

Habe nun das Interview gelesen. In vielem stimme ich ihr zu und finde gut, was sie sagt. Ob das mit der Forschung erst heute passiert oder schon in der Steinzeit, ist jetzt kein wichtiger Streitpunkt, denke ich. Das andere, was mich noch wundert, ist ihre Abwertung des Surrealismus. War die Documenta tatsächlich nie an ihm interessiert?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 25. Mär 2025, 17:45

Ich habe es ungefähr zur Hälfte gelesen, vielleicht drei Viertel, mehr schaffe ich nicht, ich finde es unglaublich schrecklich.

Es gibt sicherlich Künstler:innen, die Forschung machen oder glauben, Forschung zu machen. Ich habe keine empirischen Daten dazu, aber ich schätze, es ist eher eine Minderheit. Jedenfalls scheint sie nicht der Meinung zu sein, dass Kunst im Allgemeinen Forschung ist (Höhlenmalerei scheint sie auszuschließen), und daher könnte sie gegebenenfalls auch der Meinung sein, dass Kunst nicht im Allgemeinen Lernen ist.

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Idee, Kunst sei Lernen, vielleicht gar nicht allgemein gemeint ist, sondern sich nur auf unsere Zeit und - sagen wir - die "Kuratorenkunst" bezieht.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 25. Mär 2025, 18:10

An was denkst Du beim Begriff "Forschung"? Leute in weißen Kitteln im Labor und dergleichen?

Ich denke, wenn beispielsweise kleine Kinder Bilder malen, ist das auch Kunst. Und wenn sie dabei Formen und Farben ausprobieren, ist das gleichermaßen eine Erforschung der Wirklichkeit und weiterer Sachen. Ich sehe den Forschungsbegriff hier im weiten Sinne. Forschung beginnt mit der ersten Lebenssekunde. Siehst Du den Begriff enger? Oder warum ist dieser Gedanke für Dich schrecklich?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 25. Mär 2025, 18:26

Sie selbst denkt bei Forschung offensichtlich an die Naturwissenschaften, dementsprechend hat sie auch auf der documenta einen Raum mit verschiedenen Experimenten aus dem Bereich der Quantenforschung gezeigt. Im Interview deutet sie das auch an, wenn ich mich recht erinnere.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4062
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 25. Mär 2025, 19:08

Wenn ich zum Thema Joghurt beispielshalber ein Erdbeerjoghurt austelle, heißt das nicht, dass ich beim Begriff Joghurt ausschließlich an Erdbeerjoghurt denke. Es ist nur ein Beispiel von vielen.

Also ich finde es nicht offensichtlich, dass sie beim Begriff Forschung nur an Quantenforschung oder nur an Naturwissenschaft denkt. Sie müsste schon einen sehr eingeschränkten Intellekt haben, wenn sie andere Forschungsfächer als Nichtforschung bezeichnete.

Im Interview sehe ich bei ihr das Gegenteil von Einschränkung. Sie will nichtmenschliche Tiere und Pflanzen in der Demokratie involvieren. Da sind wir nicht mehr in der Naturwissenschaft; wir sind da in der Politik. Sie sagt auch, dass Kunst immer schon Politik war.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 27764
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 25. Mär 2025, 19:57

Ja, ja, für sie ist das alles nur eine Soße. Dennoch unterscheidet sie zwischen Kunst, die forscht und Kunst, die nicht forscht, die Höhlenmaler haben nicht geforscht.




Antworten