Die schöne Sprache
- Jörn Budesheim
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Warum auch immer es in der Sprache geht, Schönheit spielt dabei eine bedeutende Rolle, denke ich. Was macht Sprache schön, was macht sie hässlich? Das untersucht die Rhetorik. Welche Bedeutung haben die Regeln der Rhetorik für die Philosophie?
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Hier ein paar gängige Regeln für schöne Sprache:
- Denke an den Leser: Schreibe, um verstanden zu werden.
- Einfache Sprache: Zahle möglichst mit kleinen Scheinen.
- Kurze Sätze: Nutze eine gute Mischung aus kurzen und wenigen längeren Sätzen.
- Aktiv statt Passiv: Vermeide Passivkonstruktionen. Meide Ausdrücke wie "Passivkonstruktionen".
- Verben statt Nomen: Bevorzuge Verben gegenüber Nominalkonstruktionen und vermeide Wörter auf „...ung“ oder „...ion“ wie z.B. Nominalkonstruktion.
- Adjektive nach Möglichkeit streichen: Es ist nicht notwendig, dass vor jedem Dingwort ein Wiewort steht.
- Konkret geht vor abstrakt: Beispiele und Bilder machen den Text schön und verständlich.
- Fremdwörter meiden: In der Philosophie lässt sich das nicht immer leicht durchhalten, aber Fremdwörter sollten kein Selbstzweck sein.
- Das Thema im Blick haben: Bleibe beim Thema und vermeide unnötige Abschweifungen.
- Überarbeite den Text: Ein guter Text ist viel Arbeit für den, der schreibt, und wenig für den, der liest.
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Hier liegt nach meinem Verständnis eine fundamentale Verwechslung vor. Die 10 Punkte charakterisieren nicht die "schöne", sondern die "die Kommunikationsfunktion maximal bedienende" Sprache, die "demokratische", "informationsbezogene", "praxistauglichste", "funktionalste" Sprache.
Mitnichten allerdings die "schöne" Sprache, denn Schönheit muß nicht der Funktionalität widersprechen, ist aber ein Selbstwert, afunktional oder zumindest eigenfunktional. Daher kann schöne Sprache einfach oder kompliziert, nüchtern oder emotionalisiert, reduktionistisch oder ausufernd, simplifizierend oder kompliziert, strikt oder verschachtelt, explizit oder verrätselt, direkt oder metaphorisch/blumig, obsessiv oder mäandernd/abschweifend, usw usw sein.
Schön ist Sprache, wenn sie ihre Form suggestiv machen kann.
Mitnichten allerdings die "schöne" Sprache, denn Schönheit muß nicht der Funktionalität widersprechen, ist aber ein Selbstwert, afunktional oder zumindest eigenfunktional. Daher kann schöne Sprache einfach oder kompliziert, nüchtern oder emotionalisiert, reduktionistisch oder ausufernd, simplifizierend oder kompliziert, strikt oder verschachtelt, explizit oder verrätselt, direkt oder metaphorisch/blumig, obsessiv oder mäandernd/abschweifend, usw usw sein.
Schön ist Sprache, wenn sie ihre Form suggestiv machen kann.
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In schöner Sprache bist du ja sicherlich ein Fachmann, das ist mir schon aufgefallen.
Die zehn Punkte gehören zur Stilkunde, wie sie Ludwig Reiners oder Wolf Schneider betrieben. Schneider hat in seinen Seminaren gerne Sätze von Adorno oder Kant auseinandergenommen. Und die schönsten Arbeiten zur Theorie und Praxis der Sprache hat Judith Macheiner geschrieben, insbesondere „Das grammatische Varieté oder Die Kunst und das Vergnügen, deutsche Sätze zu bilden.“ Einen informativeren Text in einer solchen Sprache gibt es sicher nicht im Deutschen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 28. Sep 2024, 11:50Hier liegt nach meinem Verständnis eine fundamentale Verwechslung vor. Die 10 Punkte charakterisieren nicht die "schöne", sondern die "die Kommunikationsfunktion maximal bedienende" Sprache, die "demokratische", "informationsbezogene", "praxistauglichste", "funktionalste" Sprache.
Mitnichten allerdings die "schöne" Sprache, denn Schönheit muß nicht der Funktionalität widersprechen, ist aber ein Selbstwert, afunktional oder zumindest eigenfunktional. Daher kann schöne Sprache einfach oder kompliziert, nüchtern oder emotionalisiert, reduktionistisch oder ausufernd, simplifizierend oder kompliziert, strikt oder verschachtelt, explizit oder verrätselt, direkt oder metaphorisch/blumig, obsessiv oder mäandernd/abschweifend, usw usw sein.
Schön ist Sprache, wenn sie ihre Form suggestiv machen kann.
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Ja, es gibt sehr lesenswerte Bücher von Wolf Schneider über schöne Sprache. Und zum Schönsten in diesen Büchern gehört es, wenn er darin hässliche Texte Schritt für Schritt auseinander nimmt. :)
Allerdings scheint in der Rhetorik ohnehin ein relativ großer Konsens darüber zu bestehen, was schön ist, sodass man sicher auch viele andere Autoren und Autorinnen empfehlen kann.
Schneider weist, soweit ich mich erinnere, immer darauf hin, dass es natürlich auch zu diesen Faustregeln Ausnahmen gibt: Ausnahmekönner können zum Beispiel auch schöne Texte mit langen Sätzen schreiben – aber wer ist schon ein Ausnahmekönner? Vor kurzem habe ich einen sehr schönen Text gelesen, in dem wohldosiert immer mal wieder alte deutsche Wörter auftauchten, die nahezu vergessen sind. Das fand ich sehr gelungen und attraktiv.
In der Kunst geht es oft um das Können des Nichtkönnens (Nietzsche), also um Formen der Schönheit, die nicht ohne Weiteres mit solchen Regeln festgehalten werden können. Diese Formen des sogenannten Nichtkönnens in der Kunst setzen allerdings in aller Regel ein vertieftes Verständnis des Könnens voraus, wie es z.B. in solchen Stilkundebüchern vermittelt wird. Das Nichtkönnen in diesem Sinne ist keine Schwundstufe des Könnens, sondern ein Surplus.
Für alle anderen sind diese Regeln eine gute Hilfe, und die zehn, die ich oben ausgewählt habe, sind ja nur ein Ausschnitt.
Vor vielen, vielen Jahren hatte ich einmal den Job, Texte von Akademikern in schönes Deutsch zu übersetzen. Dabei habe ich mich im Wesentlichen an den Regeln von Wolf Schneider orientiert. Wenn irgendwo ein Wort auf "...ung" vorkam, wusste ich gleich, was zu tun ist, ebenso wenn es Passivkonstruktionen, Adjektive gab usw.
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Nein, da sind wir uns wohl einmal einig. Mein Schreiben ist nicht schön (ich bedauere es sehr, nicht wie Adorno schreiben zu können, für mich schreibt er schön, das seht Ihr aber sicher anders). Sowohl weil ich es nicht kann, als auch, daß es mir nicht darauf ankommt. Aber ich versuche immer, Begriffe richtig zu benutzen, auch wenn ich damit manchmal vom Sprachgebrauch abweiche. Und ich hoffe in der Kommunikation, daß man den angemessenen Gebrauch feststellt, oder, wo das nicht möglich ist, die Differenzen der unterschiedlichen Sprechweisen offenlegt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 28. Sep 2024, 11:53In schöner Sprache bist du ja sicherlich ein Fachmann, das ist mir schon aufgefallen.
Es wäre also zu wünschen, Klarheit zu schaffen, warum Ihr (bei Pragmatix ist mir das klar, weil sein Nickname es schon verrät) einen anderen als den philosophisch kategorial definierten Begriff "schön" verwendet, warum die Gleichsetzung pragmatisch/nützlich und schön? Für mich ist Schönberg der Inbegriff von Schönheit, nicht Helene Fischer, oder wie die heißt. Das aber wird von fast allen Musikfreunden, die sich intensiv damit auseinandergesetzt haben, genau so verstanden. Ich liebe auch einfache Musik, aber wenn, dann nicht wegen ihrer Einfachheit, sondern wegen ihrer Schönheit.
Schön ist dasjenige, was Wohlgefühl auslöst. Das ist meine Ansicht. Wenn Schönheit nicht nur Erlebnis sei sondern auch unabhängig davon etwas allgemeines, so wird dieses Allgemeine doch letztendlich von einem Menschen beschrieben, und dieser Mensch erlebt beim Beschreiben eben dieses Schöne, was er gerade beschreibt. -- Hamsterrad.
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Dann wären alle Gefangene ihrer Gefühle!
Ich auf jeden Fall. Ich würde ihn den sprachlichen Manieristen zurechnen. Zu viele Marotten, zu viel Jargon.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 28. Sep 2024, 13:19Nein, da sind wir uns wohl einmal einig. Mein Schreiben ist nicht schön (ich bedauere es sehr, nicht wie Adorno schreiben zu können, für mich schreibt er schön, das seht Ihr aber sicher anders).Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 28. Sep 2024, 11:53In schöner Sprache bist du ja sicherlich ein Fachmann, das ist mir schon aufgefallen.
Sind sie ja auch. Ich kann mir meine Gefühle nicht aussuchen.
Schleim finde ich unschön. Das kann ich nicht ändern.
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Diese Stilregeln sind durchaus Regeln der Schönheit, und es ist kein Zufall, dass sie auch Regeln der Verständlichkeit sind. Offenbar besteht ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Aspekten der Sprache, denn das Verstehen gibt den Wörtern ihren Sinn. Zudem sind diese Regeln lediglich eine beispielhafte Skizze; verschiedene Gattungen erfordern unterschiedliche Regeln. Un die Einhaltung dieser Regeln – wie ich bereits erklärt habe –* garantiert natürlich noch lange nicht die Schönheit eines Textes.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 28. Sep 2024, 13:19Es wäre also zu wünschen, Klarheit zu schaffen, warum Ihr (bei Pragmatix ist mir das klar, weil sein Nickname es schon verrät) einen anderen als den philosophisch kategorial definierten Begriff "schön" verwendet, warum die Gleichsetzung pragmatisch/nützlich und schön?
*Solche Einschübe in Parenthesen sind zum Beispiel rhetorisch betrachtet oft fragwürdig, weil sie hässlich sind.
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Doch, das kann man sehr wohl, man kann die eigene Fähigkeit, die Schönheit der Sprache zu erkennen und selbst schönere Texte zu schreiben, schulen. Dazu kann man z.B eins der vielen Stilbücher, die auf dem Markt sind lesen.
Die Fähigkeit, das Schöne zu erkennen oder gegebenenfalls selbst zu produzieren, kann man ganz sicher in einem gewissen Maße lernen.
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Ich möchte allerdings jetzt nicht unbedingt die xte Diskussion zum Thema Objektivität der Schönheit. Spannender fände ich, wenn wir die Schönheit der Sprache und natürlich auch ihr Gegenstück die Hässlichkeit erforschen.
Das meine ich auch. Das war aber nicht mein Punkt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 28. Sep 2024, 14:24Doch, das kann man sehr wohl, man kann die eigene Fähigkeit, die Schönheit der Sprache zu erkennen und selbst schönere Texte zu schreiben, schulen. Dazu kann man z.B eins der vielen Stilbücher, die auf dem Markt sind lesen.
Die Fähigkeit, das Schöne zu erkennen oder gegebenenfalls selbst zu produzieren, kann man ganz sicher in einem gewissen Maße lernen.
X zu lernen heißt nicht, X zu schöpfen. Ich lerne das, was schon geschöpft ist. Horizonterweiterung ermöglicht weitere Schönheitserlebnisse. Und die sind meines Erachtens eben ein Gefühlserlebnis und keine tote Maschinenfunktion.
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