Warum sind Blumen schön?

Im Zuge der philosophischen und Debatten der letzten 30 Jahre sind Theorien des Schönen und philosophisch inspirierte Theorien medialer Erfahrungen zunehmend in den Vordergrund gerückt.
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Jörn Budesheim
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Mo 10. Jun 2024, 11:08

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 09:42
Wenn es eine unbezweifelbare objektive Schönheit gäbe, dh ich gezwungen wäre, etwas als "schön" zu empfinden, dann wäre die Schönheit eine empirisch nachweisbare Eigenschaft mancher Dinge, wie die Oberflächenstruktur, wenn es ein festes Objekt ist, oder wie seine Geschwindigkeit, wenn es sich bewegt.
Das ist für mich ein klares Fehlargument. Es gibt zum Beispiel auch unumstößliche mathematische Wahrheiten, die kann man ebensowenig empirisch erforschen, weil das ein ganz anderes Feld ist. Nicht alle Sachverhalte können mit ein und derselben Methode ("empirisch") untersucht werden. Dass sich Schönheit auf solche empirischen Daten, wie du es forderst, zurückführen lässt, schließt Deutsch (nach meinem Verständnis) zu Recht aus, da stimme ich ihm zu.
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 09:42
Und diese Eigenschaft der Dinge wäre mit einer unvermeidlichen angeborenen Empfindung verbunden.
Bei Blumen ist das sicher der Fall.

Und dass man die Sensibilität für die Schönheit der Kunst oftmals erst erwerben muss, ist kein Argument gegen die Möglichkeit objektiver Schönheit der Kunst.




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Jörn Budesheim
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Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 09:42
Und von Dir als philosophierendem Künstler habe ich erwartet, daß Du weißt, daß dieser rein objektive Begriff von Schönheit allenfalls dem Naturschönen zugesprochen werden kann.
Ich gehe vom Gegenteil aus, es gibt zahlreiche philosophische Literatur dazu, die mich darin bestätigt :-)




Wolfgang Endemann
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Mo 10. Jun 2024, 12:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 11:08
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 09:42
Wenn es eine unbezweifelbare objektive Schönheit gäbe, dh ich gezwungen wäre, etwas als "schön" zu empfinden, dann wäre die Schönheit eine empirisch nachweisbare Eigenschaft mancher Dinge, wie die Oberflächenstruktur, wenn es ein festes Objekt ist, oder wie seine Geschwindigkeit, wenn es sich bewegt.
Das ist für mich ein klares Fehlargument.
Ich habe nicht gegen die Schönheit der Kunst argumentiert, im Gegenteil, ich sehe es als problematisch an, anderem als Kunst dieses Prädikat zuzubilligen. Damit problematisiere ich die Schönheit dekorativer Kunst, auch wenn ich nicht so weit gehe wie Adorno, der Schönheit sehr strikt an Wahrheit bindet.
Schönheit ist keine Sache, sondern eine Zuordnung/-schreibung, ein Werturteil. Letztere(s) ist nicht vollständig objektivierbar. Sie ist mehr oder weniger suggestiv, und so kann sie/es gelernt werden. Im Groben gibt es keine wohlbegründbare Möglichkeit, bei einem Kunstobjekt zu gegensätzlichen Urteilen zu kommen, wohl aber im Detail. Das sind die subjektiven Momente in der Kunstbewertung.
"Dass sich Schönheit auf solche empirischen Daten, wie du es forderst," - das habe ich nicht gefordert, im Gegenteil habe ich das als Erklärungsmodell ausgeschlossen. Daher habe ich den Konjunktiv verwendet.
"Und dass man die Sensibilität für die Schönheit der Kunst erst erwerben muss, ist kein Argument gegen die Schönheit der Kunst." - das habe ich an keiner Stelle gesagt.




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Mo 10. Jun 2024, 13:01

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 12:53
Ich habe nicht gegen die Schönheit der Kunst argumentiert
Du hast argumentiert, dass - wenn es eine unbestreitbare objektive Schönheit gäbe - Schönheit eine empirisch nachweisbare Eigenschaft bestimmter Dinge sein müsste, wie z.B. die Oberflächenstruktur oder ähnliches. Und das ist meines Erachtens ein klarer Trugschluss.




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Mo 10. Jun 2024, 13:02

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 12:53
"Und dass man die Sensibilität für die Schönheit der Kunst erst erwerben muss, ist kein Argument gegen die Schönheit der Kunst." - das habe ich an keiner Stelle gesagt.
Doch. Hier: "Und diese Eigenschaft der Dinge wäre mit einer unvermeidlichen angeborenen Empfindung verbunden."




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Mo 10. Jun 2024, 13:04

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 12:53
"Dass sich Schönheit auf solche empirischen Daten, wie du es forderst," - das habe ich nicht gefordert, im Gegenteil habe ich das als Erklärungsmodell ausgeschlossen. Daher habe ich den Konjunktiv verwendet.
Doch, das hast du gefordert für den Fall, dass Schönheit objektiv wäre. Hier: "Wenn es eine unbezweifelbare objektive Schönheit gäbe, [...] wäre die Schönheit eine empirisch nachweisbare Eigenschaft mancher Dinge ..."




Wolfgang Endemann
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Mo 10. Jun 2024, 13:26

Zu Deinen drei Kommentaren.
Sie zeigen mir, daß Du nicht logisch argumentieren willst, ich vermute, daß Logik hier eine Zumutung für Deine Gefühle ist. Warum, verstehe ich nicht.
Wenn etwas objektiv ist, dann ist es unbestreitbar am Objekt, was nicht heißen muß, daß ich das weiß und ihm zuschreiben kann. Wenn es objektiv am Objekt ist, läßt es sich prinzipiell an ihm objektiv messen, ohne subjektive Verfälschungen. Ich fordere hier nicht von der Schönheit, daß sie objektiv ist. Ich benutze den Konjunktiv, weil ich die Voraussetzung, daß Schönheit (ich präzisiere für Dich: vollkommen) objektiv ist, für falsch halte.




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Mo 10. Jun 2024, 13:51

Dein Argument funktioniert doch so:

P1: Wenn etwas objektiv ist, dann ist es unbestreitbar am Objekt.
P2: Schönheit ist (prinzipiell) nicht empirisch nachweisbar am Objekt.
K: Also ist Schönheit nicht objektiv.

Das ist ein Fehlargument, wie man leicht sieht, wenn man über mathematische Wahrheiten nachdenkt, die nicht empirisch nachweisbar an einem Objekt sind und trotzdem objektiv sind.

Du unterstellst anscheinend - ohne jedes Argument - dass alles, was unbestreitbar am Objekt ist, (prinzipiell) empirisch nachweisbar am Objekt sein muss. Das heißt, die Methode der Nachweisbarkeit würde entscheiden, was am Objekt ist. Das ist absurd. Dass Blumen schön sind, ist eine Eigenschaft der Blumen selbst. Diese lässt sich jedoch nicht mit "empirischen Methoden", zum Beispiel "Messen und Wiegen", ermitteln. Die "Messmethoden" sind hier ganz andere, sie basieren auf unseren Sinnen. Damit kann man Eigenschaften der Objekte selbst erkennen, die den qualitativen "empirischen" Methoden unzugänglich sind.

Das scheint mir eine saubere logische Widerlegung deiner Argumentation zu sein.




Wolfgang Endemann
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Mo 10. Jun 2024, 18:24

P1 ist eine Tautologie. Eine Eigenschaft, ein Prädikat am Objekt nenne ich objektiv, wenn sie/es mit dem Objekt gegeben ist, nicht von Außen von einem Subjekt an es herangetragen wird. Und objektiv ist ein Sachverhalt zwischen Objekten, der notwendig mit dem Aufeinandertreffen der Objekte auftritt. Das ist der korrekte Gebrauch des Wortes "objektiv".
P2 habe ich nicht gesagt. Wenn das Objekt ein Kunstobjekt ist, ist die Eigenschaft "schön" keine Materialeigenschaft, die dem Kunstobjekt, sei es ein Bild, ein Text, eine Komposition, als physischem Gegenstand zukommt. Es ist die Idee des Kunstwerks, die sich in seiner materialen Organisation materialisiert, auf die das konzipierende Subjekt von der sinnlichen Wahrnehmung des Kunstobjekts rückschließen muß. Diese Schönheit wird nicht unmittelbar am Objekt wahrgenommen, sondern erst mit seiner nicht immer angemessenen Interpretation. So ist diese Schönheit nicht ohne subjektive Tätigkeit des rezipierenden Subjekts vorhanden, nicht objektiv, sondern intersubjektiv. Das ist anders beim Naturschönen. Die "Schönheit" der Blumen wirkt unmittelbar, wobei ich da etwas problematisiere, von Schönheit zu sprechen, aber ja, im naiven Verständnis sind die Blumen einfach schön. Und wenn ich sie abmale, ist auch das Bild der Blumen einfach schön, naturschön, das gemalte Bild hat die gleiche ästhetische Qualität wie das abgebildete Original, es ist sogar so, daß das Bild für sich keine Qualität hat, das Material zählt nicht, nur seine Erscheinung. Allerdings gilt das nur für einen handwerklich versierten Landschaftsmaler, es gilt nicht für Monets Seerosen oder Turners Seebilder, die gehen über solche Naturschönheit hinaus. Und genau deshalb ist es Kunst.
Also K: künstlerische Schönheit ist im Wesentlichen nicht objektiv, freilich muß sie sich objektiv materialisieren, in ihrer Objektivierung erkannt, dechiffriert werden.
Was unbestreitbar am Objekt ist, ist prinzipiell am Objekt empirisch nachweisbar. Und jede ernsthafte Kunstbetrachtung wird sich um die objektive Erfassung des Kunstwerks bemühen. Das reicht aber nicht, um das Kunstwerk, seine Schönheit zu verstehen. Man muß es als einen sprachlichen Ausdruck lesen, seine materiale Beschaffenheit ist seine Syntax, die Interpretation liefert die Semantik.
Und jetzt komme ich zu den Blumen. Und zu Deinem Widerspruch: Wenn die Meßmethoden auf unseren Sinnen basieren, ermitteln sie nicht, was objektiv an den Sachen ist, sondern was wir wahrnehmen. Dies ist übrigens der ganz große, epochale Fortschritt im modernen Denken, das die naive Vorstellung von Objektivität abgelegt hat. Mit diesen Meßmethoden erkennen wir nicht Eigenschaften der Objekte, sondern solche unserer Wahrnehmung. Das ist etwas Geistiges, nicht objektiv Körperliches. Und dieses Geistige ist in der Tat empirischen Methoden unzugänglich. Das stimmt dann auch für die Seerosen Monets, ihre Schönheit erkenne ich, die "Schönheit" der Blumen, wie sie in der Natur gegeben sind, sehe ich unmittelbar, materiell, an der Sache, hier hatte ich von einem "Schönheitssinn" gesprochen, der nichts oder sagen wir lieber wenig mit der geistigen Schönheit von Kunstobjekten zu tun hat. Die Blumen sind, sie sprechen nicht zu mir. Die Kunst jedoch spricht zu/mit mir.




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Mo 10. Jun 2024, 18:48

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 18:24
Das ist der korrekte Gebrauch des Wortes "objektiv".
Nö.

Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Weisen den Begriff zu nutzen. Hier einige bessere Erläuterungen.
Donald Davidson hat geschrieben : Ein Urteil ist objektiv, wenn es wahr oder falsch oder möglicherweise keins von beidem ist, der Wahrheitswert (wahr, falsch oder keins von beidem) aber feststeht. Der Wahrheitswert des Urteils ist unabhängig von der Person des Urteilenden sowie von der Gesellschaft oder Zeit, in der er lebt. Der Wahrheitswert eines Urteils hängt nur von zweierlei ab: den Tatsachen und dem Inhalt des Urteils [...]"
Der amerikanische Philosoph John McDowell schlägt vor, Farben und Schönheit als Teil der objektiv erkennbaren Wirklichkeit zu betrachten. Ein Gegenstand der Erfahrung ist nach seinem Vorschlag dann “objektiv”, wenn er dieser Erfahrung offensteht, im Unterschied etwa zu einer subjektiven Einbildung.

McDowell schlägt vor, dass "sich eine Erfahrung auf eine objektive Realität bezieht, wenn der Gegenstand unabhängig ist von dieser speziellen Erfahrung selbst" vorliegt. Wenn wir diesen Begriff der Objektivität akzeptieren, können wir auch Farben und Schönheit als objektive Beschaffenheiten der Gegenstände, an denen sie sich zeigen, verstehen.

“Dass die Welt manche ihrer Eigenschaften nur Lebewesen mit einer bestimmten sinnlichen und begrifflichen Ausstattung enthüllt, nicht jedoch anderen, steht nicht im Widerspruch zu der These, dass diese Eigenschaften den Dingen objektiv zukommen.” (David Lauer, über John McDowell)

Aus deiner Sicht sind das dann wohl naive Vorstellungen, die einen epochalen Fortschritt an irgendeiner Stelle verpasst haben müssen.




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Mo 10. Jun 2024, 19:56

Markus Gabriel, in "Sinn und Existenz" hat geschrieben : Fregesche Sinne als Arten des Gegebenseins von Dingen an sich, ja als Eigenschaften von Dingen an sich zu verstehen, setzt voraus, Freges ohnehin nur angedeutete Erkenntnistheorie von ihren psychologistischen Resten zu befreien. Mark Johnston hat eine ganz ähnliche Strategie am epistemologischen Ende des Spektrums gewählt, indem er – ebenfalls in Anknüpfung an Freges Sinnbegriff – die Position verteidigt, dass wir keine »Produzenten von Präsenz (producers of presence)«, sondern vielmehr »Probesonden von Präsenz (samplers of presence)« seien, wie er sich ausdrückt.

Ich nähere mich dieser These vom hier entwickelten ontologischen Standpunkt aus. Gegenstände sind mit demjenigen identisch, was wahr über sie ist. Damit es überhaupt eine Pluralität an Wahrheiten über einen Gegenstand gibt, muss er unter Beschreibungen existieren. Dass wir Präsenz nicht hervorbringen, sondern vorfinden, ​bedeutet, dass wir imstande sind herauszufinden, unter welchen Beschreibungen Gegenstände existieren.

Russell vertritt in seiner Analyse des Geistes ein ganz ähnliches Modell, wobei er von »Empfindungen« spricht, was seiner Intention entgegen subjektivistisch klingt, aber nicht sein soll, denn »Empfindungen sind das, was der psychischen und der physischen Welt gemeinsam ist«.[14]

In die Richtung einer Sinnfeldontologie weist auch seine Rede von objektiven »Perspektiven«, »Aspekten« und »Erscheinungen« von Gegenständen, die nicht daraus resultieren, dass es auffassende Subjekte gibt. Er kommt dabei zu der Konklusion, dass wir Gegenstände als Erscheinungssysteme auffassen sollten:
Bertrand Russell in "Die Analyse des Geistes" hat geschrieben : Anstatt hinter den verschiedenen Empfindungen derer, von denen wir sagen, daß sie den Tisch ansehen, eine unbekannte Ursache anzunehmen, können wir die Gesamtheit dieser Empfindungen (möglicherweise zusammen mit irgendwelchen anderen Elementen) als das ansehen, was der Tisch wirklich ist. Das will sagen, daß der Tisch, der sich ja den verschiedenen Beobachtern (wirklichen und möglichen) gegenüber neutral verhält, die Gesamtheit derjenigen Elemente ist, die man nach der bisherigen Auffassung als die verschiedenen »Ansichten« des Tisches von verschiedenen Standpunkten bezeichnen würde ...




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Jörn Budesheim
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Mo 10. Jun 2024, 20:20

Aber jetzt kommen wir auf ein anderes Gleis, mich interessiert eigentlich die Auffassung von David Deutsch.




Wolfgang Endemann
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Mo 10. Jun 2024, 22:08

<dass "sich eine Erfahrung auf eine objektive Realität bezieht, wenn der Gegenstand unabhängig ist von dieser speziellen Erfahrung selbst"> - das ist korrekt. Und ja, Farben sind eine objektive Beschaffenheit der Gegenstände, sie können als Wellenlängen des reflektierten oder emittierten Lichts gemessen und den Objekten zugeordnet werden. Aber was ist die objektive Schönheit eines Objekts, wenn ich nach obiger Definition das Objekt unabhängig von der Erfahrung seiner Schönheit, die der Wahrnehmende macht, denke? Was ist eine objektive Beschaffenheit, die nicht objektiv meßbar ist?
Richtig ist, “Dass die Welt manche ihrer Eigenschaften nur Lebewesen mit einer bestimmten sinnlichen und begrifflichen Ausstattung enthüllt, nicht jedoch anderen", zB Farben des infraroten Spektrums, das für Menschen unsichtbar ist, aber selbstverständlich empirisch gemessen werden kann. Die Farbeigenschaft infrarot kommt Dingen, die infrarot (für Menschen nicht sichtbar) erscheinen, als Dingen objektiv zu. Ich wiederhole meine frühere Frage, was ist eine objektive Eigenschaft eines Dings, die nicht experimentell gemessen werden kann?
Meine Bemerkung "Dies ist übrigens der ganz große, epochale Fortschritt im modernen Denken, das die naive Vorstellung von Objektivität abgelegt hat" hast Du offensichtlich nicht verstanden, sie spielt auf die Grundlagenkrise der Physik und ihre Überwindung an, bei der sich die Physiker die Frage stellten, wie objektiv ihre Experimente sind, die herausfinden sollen, wie die Welt funktioniert, wenn die Instrumente dieser Experimente ja selbst nach den Gesetzmäßigkeiten funktionieren, die sie selbst erst entdecken sollen. Dieses zirkuläre Dilemma hat die ganze Problematik offengelegt, daß man keinen objektiven, dh subjektunabhängigen Standpunkt "view from nowhere" einnehmen kann.

In Deinem zweiten Kommentar erwähnst Du den Versuch Russells, das objektive Sein als die Summe aller möglichen Perspektiven auf es zu verstehen resp sich des objektiven Seins zu entledigen, ein Antirealismus. Das ist allerdings eine sehr untypische Aussage von Russell, die ich eher dem späten Wittgenstein zuschreiben würde, und es ist sicher nicht die Auffassung von Deutsch.




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Quk
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Di 11. Jun 2024, 01:00

Ein interessanter Vergleich:

Davids Vermischung von Mathematik und Mathematiker. Bertrands Vermischung von Tisch und Tischwahrnehmer.

Die Tischbedeutung inkludiere nicht nur den objektiven Tisch an sich, sondern auch alle subjektiven, diversen, tischhaften Wahrnehmungen, welche das Tischding mitauslöst. Durch diese Bedeutungs-Inklusion weite sich die Objektivität des Tischdings aus auf jene tischhaften Wahrnehmungen, deren Subjektivität somit von der bedeutungserweiterten Objektivität assimiliert werde. Das Subjektive werde durch seine Berührung mit der Objektivität selber objektiv. Wie bei einer Ansteckung.

Die Mathematikbedeutung inkludiere nicht nur die objektive Mathematik an sich, sondern auch alles subjektive, diverse, mathematische Denken, welche die Mathematik mitauslöst. Durch diese Bedeutungs-Inklusion weite sich die Objektivität der Mathematik aus auf jenes mathematische Denken, dessen Subjektivität somit von der bedeutungserweiterten Objektivität assimiliert werde. Das Subjektive werde durch seine Berührung mit der Objektivität selber objektiv. Wie bei einer Ansteckung.




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Di 11. Jun 2024, 08:23

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mo 10. Jun 2024, 22:08
Ich wiederhole meine frühere Frage, was ist eine objektive Eigenschaft eines Dings, die nicht experimentell gemessen werden kann?
Warum wiederholst du eine Frage, die bereits mehrfach beantwortet wurde? Beispiele waren Farben und Schönheit. Wurde oben wiederholt erläutert.




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Di 11. Jun 2024, 08:38

Quk hat geschrieben :
Di 11. Jun 2024, 01:00
David
Der Name lautet David Deutsch. Was willst du damit sagen oder zeigen, dass du David schreibst?




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Quk
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Di 11. Jun 2024, 09:49

Gibt es eine Verwechslungsgefahr mit einem zweiten David, oder warum stellst Du diese seltsame Frage, Jörn Budesheim? :-)

Normalerweise verwende ich nur die Nachnahmen, aber wenn die mit einem Alltagsbegriff verwechselbar sind, wie etwa "Körper" oder "Deutsch", nehme ich lieber die verfügbaren Alternativen; gerade im Englischen ist es sowieso normal, die Vornamen zu verwenden, mit allem zugehörigen Respekt. Was dachtest Du, warum ich das tue? Außerdem bin ich Künstler und liebe es, mit Sprach-Genres zu spielen -- live, während ich philosophisch kommuniziere. Gibt es hierzu weitere Fragen?




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Jörn Budesheim
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Di 11. Jun 2024, 09:54

Ich finde die Frage nicht seltsam, sondern ganz im Gegenteil sehr naheliegend. Mir kam das nämlich despektierlich vor.




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Quk
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Di 11. Jun 2024, 10:01

Ich habe aber großen Respekt vor David Deutsch und finde ihn sehr sympathisch. Wenn Du von diesem meinem guten Hintergrund ausgehst, wird Dir vielleicht jetzt sichtbar, dass ich jene Vornamen -- David und Bertrand -- mit Frohsinn schrieb und nicht mit Disrespekt. Wie kommst Du auf den Eindruck des Disrespekts?

Manchmal rede ich von "Ludwig van" statt Beethoven, oder von "Ringo" statt Ringo Starr. Ist diese Lockerheit inkompatibel mit Deinen Antennen?




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Di 11. Jun 2024, 10:07

Quk hat geschrieben :
Di 11. Jun 2024, 10:01
Ist diese Lockerheit inkompatibel mit Deinen Antennen?
Eher nicht. Aber dann ist das eben so.




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