Ein shitstorm für ein Gedicht!
- Jörn Budesheim
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Hier kann man sich das Gedicht von Judith Zander vorlesen lassen: https://www.lyrikline.org/de/gedichte/grundlegende-7723
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Bei Vorlesen höre ich zum ersten Mal, dass man "Parole" (als Losung, Slogan oder Kennwort) auch in einem andern Zusammenhang "hören" kann, nämlich à la Saussure wie bei "Langage, Langue und Parole". Überall sind verschiedene Fährten im Gelände ausgelegt :-) Diese Vieldeutigkeit zu erkennen, macht mir durchaus auch Spaß.
- Jörn Budesheim
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Wer dorthin navigiert, findet im Text und in den Kommentaren auch Versuche, das Gedicht zu interpretieren. Diese Deutungen verdankt sich auch etlichen Beiträgen bei Facebook, wo Leser:innen versucht haben, das Gedicht zu lesen und zu "verstehen".literaturcafe.de hat geschrieben : Shitstorm um Lyrikerin Judith Zander: Gedichte lesen muss man manchmal lernen ...
https://www.literaturcafe.de/shitstorm- ... al-lernen/
- Jörn Budesheim
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Ich hab einen Tipp umgesetzt. Und zwar hab ich den Text mit einem Stift in der Hand gelesen. Diesen "Subtext" höre/lese ich dabei (aus dem Liebesgedicht zwischen den Zeilen) heraus:
Den Grundbucheintragungen lagen keine Karten bei: Nichts war bereits vermessen, wir mussten uns erst gegenseitig von Grund auf erforschen. Und haben dabei in der Tat einige Eintragungen vorgenommen. Zugegeben: dabei verklebten wir zwittrige Blüten mit unserer Kuckucksspucke - wir liebten uns - in einem acte de volonté, einem Akt Verlaufene sind wir. Wir waren unsere eigene Wegzehrung. Wir suchen uns zurückzurufen, zurück in die Natur und schließen einen Pakt mit den ungeschilderten Bäumen.
Zu weit hergeholt?
Den Grundbucheintragungen lagen keine Karten bei: Nichts war bereits vermessen, wir mussten uns erst gegenseitig von Grund auf erforschen. Und haben dabei in der Tat einige Eintragungen vorgenommen. Zugegeben: dabei verklebten wir zwittrige Blüten mit unserer Kuckucksspucke - wir liebten uns - in einem acte de volonté, einem Akt Verlaufene sind wir. Wir waren unsere eigene Wegzehrung. Wir suchen uns zurückzurufen, zurück in die Natur und schließen einen Pakt mit den ungeschilderten Bäumen.
Zu weit hergeholt?
- Jörn Budesheim
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Etwas merkwürdig fand ich in diesem Interview, dass der Moderator zwei Beispiele für Wortschöpfungen von Judith Zander bringt, die gar keine Wortschöpfungen sind :) Außerdem ist der Shitstorm gar nicht richtig wiedergegeben, weil es ja nicht nur negative Kommentare gab, sondern auch eine ganze Reihe von User:innen, die sich um das Gedicht und die Lyrik von Judith Zander bemüht haben. Im Gegensatz zu anderen Shitstorms, die ich schon erlebt habe, kam es hier sogar gelegentlich zu konstruktiven Diskussionen.SWR hat geschrieben : Warum sich „schwere Lyrik“ lohnt – Antwort auf die Kritik an der Peter-Huchel-Preisträgerin Judith Zander
Auf der SWR Facebook Seite gab es in den vergangenen Tagen viel Kritik an der diesjährigen Peter-Huchel-Preisträgerin Judith Zander. DIE ZEIT fragte sogar: „Muss denn neue Lyrik so schwer sein?“
Jury-Mitglied Insa Wilke erklärt, warum der Ärger zu kurz greift und es sich lohnt, moderne Gedichte zu lesen ...
https://www.swr.de/swr2/literatur/schwe ... n-100.html
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Der erste Teil des Textes, in dem Leisz Shernhart die Gegner des Gedichts verächtlich macht, gefällt mir gar nicht. Aber der zweite Teil, in dem er eine Art Mini-Poetologie versucht, ist durchaus lesenswert.Leisz Shernhart hat geschrieben : sehr wohl Lyrik!
Zum Shitstorm gegen Judith Zander
Judith Zander erhält für ihr Werk den Peter-Huchel-Preis und erntet dafür einen Shitstorm aus dem vorgeblich bildungsbürgerlichen Milieu. Hauptsächlich mag dies vermutlich daran liegen, dass der Preis mit 15.000 Euro dotiert ist, eine an und für sich lächerliche Summe, für Lyrikerinnen jedoch ein kleines Vermögen. Sofort empört sich der Pöbel, wie man jemandem für so einen unnützen Schrott so einen Haufen Geld auszahlen könne ...
https://blogs.taz.de/postfaktisch/sehr-wohl-lyrik/
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Wie gesagt: Den ersten Teil des Textes finde ich fragwürdig. Im zweiten Teil finde ich interessante Passagen.
Da fängt der Autor – auch wenn er sich nicht so gut ausdrücken kann oder will – sinngemäß so an: Im Gedicht wird die Sprache durch künstlerische Verfahren verfremdet, z.B. durch Umkehrung der herkömmlichen Syntax, durch Elemente wie Alliteration und Reim, durch symbolische Elemente, durch rhetorische Mittel usw.. Durch diese Verfremdung wird der gewohnte Lesefluss unterbrochen. Der vertraute Vorgang des Lesens, dem wir normalerweise keine große Aufmerksamkeit schenken, wird dabei oft selbst zum Thema. Was sonst klar und einfach erscheint, wird plötzlich mehrdeutig.
Aber welchen Sinn hat das?
Bei Judith Zander finde ich die Mehrdeutigkeit zunächst einfach schön. Man versteht nicht sofort, was man liest, aber beim wiederholten Lesen gibt es so viel zu entdecken. Es ist wie ein kleines Abenteuer, finde ich. Besonders gefallen haben mir die vielen alten Wörter, die ich noch nie gelesen habe. Das ist ein Schatz.
Am Ende hatte ich das Gefühl, eine kleine erotische Geschichte zu lesen, wie ein Blick in das Tagebuch einer fremden Person. Außerdem finde ich in der Sprache des Gedichts teilweise eine Beziehung zur Natur wieder, die verloren zu gehen droht. Uns fehlen buchstäblich die Worte (und die Bilder), um unseren Platz in dieser Welt in ihrem Reichtum zu beschreiben. Das Lesen fällt dann manchmal schwer, weil wir uns von dem Beschriebenen so entfremdet haben …
… womit wir wieder bei der Verfremdung wären :-)
Da fängt der Autor – auch wenn er sich nicht so gut ausdrücken kann oder will – sinngemäß so an: Im Gedicht wird die Sprache durch künstlerische Verfahren verfremdet, z.B. durch Umkehrung der herkömmlichen Syntax, durch Elemente wie Alliteration und Reim, durch symbolische Elemente, durch rhetorische Mittel usw.. Durch diese Verfremdung wird der gewohnte Lesefluss unterbrochen. Der vertraute Vorgang des Lesens, dem wir normalerweise keine große Aufmerksamkeit schenken, wird dabei oft selbst zum Thema. Was sonst klar und einfach erscheint, wird plötzlich mehrdeutig.
Aber welchen Sinn hat das?
Bei Judith Zander finde ich die Mehrdeutigkeit zunächst einfach schön. Man versteht nicht sofort, was man liest, aber beim wiederholten Lesen gibt es so viel zu entdecken. Es ist wie ein kleines Abenteuer, finde ich. Besonders gefallen haben mir die vielen alten Wörter, die ich noch nie gelesen habe. Das ist ein Schatz.
Am Ende hatte ich das Gefühl, eine kleine erotische Geschichte zu lesen, wie ein Blick in das Tagebuch einer fremden Person. Außerdem finde ich in der Sprache des Gedichts teilweise eine Beziehung zur Natur wieder, die verloren zu gehen droht. Uns fehlen buchstäblich die Worte (und die Bilder), um unseren Platz in dieser Welt in ihrem Reichtum zu beschreiben. Das Lesen fällt dann manchmal schwer, weil wir uns von dem Beschriebenen so entfremdet haben …
… womit wir wieder bei der Verfremdung wären :-)
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Und noch ein Shitstorm: Ballettchef bewirft Kritikerin mit Hundekot /
Der Ballettdirektor der Staatsoper Hannover soll eine Kritikerin der »FAZ« mit Hundekot attackiert haben.
https://www.spiegel.de/kultur/hannover- ... 9NcCvtlFcJ
Der Ballettdirektor der Staatsoper Hannover soll eine Kritikerin der »FAZ« mit Hundekot attackiert haben.
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Die Instagram-Seite "streitgut" hat den Shit-Storm analysiert. Wie kommt es, dass die Wellen dort so hoch schlagen? Sie haben ein paar Antworten gefunden, die ich sehr interessant finde - schaut mal rein!
https://www.instagram.com/p/Co7dM_EMk1y ... MyMTA2M2Y=
https://www.instagram.com/p/Co7dM_EMk1y ... MyMTA2M2Y=