Es gibt keine Innen-Welt
Verfasst: Fr 26. Mai 2023, 14:11
Nochmal zwei/drei Worte zum Begriff Innenwelt - ganz unsystematisch geschrieben.
Der Begriff "Innenwelt" ruft sofort den Begriff "Außenwelt" auf. Das heißt, es kündigt sich sofort ein gewisser Dualismus an. Das halte ich aus mehreren Gründen für problematisch. Eine "Welt" ist vom Begriff her immer ein abgegrenzter Bereich, Innen- und Außenwelt sind in dieser Begrifflichkeit nicht nur unterschieden, sondern getrennt, bzw. trennbar. Damit ergeben sich dann solche Fragen: Wie erkennen wir die Dinge "da draußen", wie erkennen wir das "Fremdpsychische" - fragwürdige Fragen, die sich aus dem Begriff sofort ergeben.
Das sind Fragen, die sich zwar aus Begriff ergeben. Aber ergeben sie sich auch aus unseren Erfahrungen, aus unserem wirklichen Leben? Ich glaube nicht. Die sogenannte Außenwelt ist nicht außen, ich erlebe sie nicht so. Eine schiefe Metapher, die das ausdrückt, ist die des "Zugangs", wie finden wir Zugang zur Außenwelt: Überhaupt nicht. Wir stehen nicht draußen vor der Tür und bitten um Einlass, wir sind schon da, mit den Dingen verwoben und verbunden, ich atme die Luft ein und aus. Ein Bild spricht mich an. Die Stimmung einer Landschaft umfasst mich. "Die Vögel fliegen still durch uns hindurch."
Auch das sogenannte Fremdpsychische erkennen wir nicht nicht, es ist nicht in der Außenwelt. Es ist keineswegs etwas von uns völlig Getrenntes in der sog. Außenwelt, sondern berührt uns in den meisten Fällen ganz direkt und unmittelbar. Die Innenwelt hat keinen Platz für das Du. Doch wenn jemand leidet, leiden wir mit, denn weder mein Leiden noch sein Leiden ist in einer Innenwelt verortet oder eingeschlossen. Es ist eine viel komplexere Struktur, vermute ich.
Und warum eigentlich nur zwei Welten? Also Innen- und Außenwelt - da fehlt doch so viel, zu dem jeder von uns gehört: Was ist mit den gerade erwähnten Du-Beziehungen? Was ist mit meinem Platz in der Gesellschaft? Was ist mit meinem Platz in der Geistesgeschichte/der Kultur? Und vieles mehr. All das lässt sich nicht mit den Begriffen "innen" und "außen" fassen. Ich erlebe mich - in gewisser Weise - als Teil der Kunstgeschichte. Ist das "in" mir? Ist das "außerhalb" von mir?
Gefühle werden oft als paradigmatisch für die Innenwelt angesehen. Aber Gefühle sind nicht für mich nicht innen. Wenn wir hier vom genius diabolus gezwungen wären, von "innen und außen" zu sprechen, dann würde ich wohl eher von außen sprechen. Es ist für mich klar: auch hier passt der Dualismus nicht so recht. Gefühle umfassen den ganzen Körper, der in diesem Paradigma eigentlich zur Außenwelt gehört. Wenn ich Angst vor einem Hund habe, der mich anbellt, dann ist Angst natürlich Angst vor dem Hund. Angst umfasst die ganze Situation, in der ich mich befinde, deren Teil ich zusammen mit dem Hund bin.
Ich glaube, dass das nur metaphorisch so ist, sondern wörtlich, natürlich auch physisch. Der Hund und ich, wir befinden uns im selben physikalischen Feld. Meine Angstgefühle sind nicht nur eine logisch/atmosphärische Struktur, sie werden auch physisch realisiert, der Hund riecht, dass ich Angst habe, was die Situation noch verschärft, diese ganze Mischung gehört zur Angst. Ich glaube nicht, dass man eine solche Situation mit den Begriffen Innenwelt und Außenwelt beschreiben kann. Gerade Emotionen sind paradigmatisch nicht innen, allein schon, weil sie gerichtet, sprich intentional und sinnhaft sind.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Wissenschaften bis heute überhaupt nicht wissen, "wo" unser Bewusstsein ist, wenn das überhaupt eine sinnvolle Frage ist, warum sollte es allein unter der Schädeldecke sein? Das erscheint mir nicht plausibel, so erleben wir das ja auch nicht. Fast alles, was wir erleben, hat doch eine Richtung, einen Sinn und ist nicht in einer Innenwelt gefangen.
So viel fürs Erste, vieles fehlt noch …