Was ist Zufall?

Drei wichtige philosophische Schulen der Philosophie des 20. Jahrhunderts, welche die Philosophie europäischer und amerikanischer Provenienz mitgeprägt haben
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Gedankenfeder
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Mo 25. Mär 2024, 12:18

Quk hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 10:35
Gedankenfeder hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 08:12
Das Ergebnis der Ziehung der Lottozahlen, sehe ich nicht als zufälliges Ergebnis. Würde man sämtliche Faktoren ins kleinste Detail beeinflussen können, könnte man vorherberechnen, welche Kugeln gezogen werden.
Die Kugeln bestehen aber aus Quanten, und in der Quantenphysik bewegen sich Teilchen nicht auf einer klar vorherstimmbaren Bahn, sondern innerhalb eines Wahrscheinlichkeits-Korridors. Die genauen Positionen innerhalb dieser Unschärfe wechseln spontan ohne bestimmte Ursachen. Das heißt, überall auf der Welt rauscht es. Wäre alles bestimmt und scharf, würde alles Rauschen durch regelmäßige Muster ersetzt werden: Im Meer, in den Wolken, in den Kugelspielen, auf dem Monitor, im Radio, im Filmmaterial etc. Das hätte außerdem zur Folge, dass nichts neues entsteht. -- Also wenn eine Lottokugel mit etwas kollidiert, dann erfährt die Kugelstruktur eine Quetschung oder Brechung bis hinunter auf die Quantenebene, und der Vorgang -- wenn er sich exakt wiederholte -- würde jedes Mal und unbestimmt eine Winzigkeit anders ausgehen. Diese Winzigkeiten können aber große Veränderungen verursachen, sodass jede Lottokugel-Lawine anders endet, auch wenn sie jedes Mal vermeintlich "gleich" gestartet wird.
Vielen Dank für deine Ausführung. Wäre es dann im Umkehrschluss so, dass wenn Quanten sich nicht vorhersehbar bewegen und dies wissenschaftlich bewiesen ist, es gleichzeitig der Beweis für das Phänomen Zufall ist? Denn wenn ich als Laie es richtig verstehe, dann besteht auf kleinster Ebene alles aus Quanten, richtig? Wenn diese sich also nicht vorhersehbar bewegen, müsste alles Zufall sein. Oder es geht in die Richtung die Jörn beschrieben hat, dass es bereichsspezifisch ist?




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Stefanie
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Mo 25. Mär 2024, 12:55

Ich habe mal eine Frage. Die kam mir gerade in den Sinn und ist wahrscheinlich abwegig.

Der Mensch besteht zu etwa 80% aus Wasser. Das Wasser besteht aus Atomen. In den Atomen sind Quanten (laienhaft ausgedrückt.).
Das bedeutet doch, dass der Mensch auch aus Quanten besteht oder im Menschen sind Quanten (?).
Hüpfen diese Quanten auch nach dem Zufallsprinzip in uns rum? Dann wäre ja alles, was in unseren Körper passiert, zufällig?
Die Pupillen verengen sich, wenn es hell wird, sie gehen wieder auf, wenn es dunkel wird. Sie reagieren aber auch z.B. bei Angst und weiten sich. Das ist aber nicht zufällig.



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Quk
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Mo 25. Mär 2024, 13:16

Gedankenfeder hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 12:18
Vielen Dank für deine Ausführung. Wäre es dann im Umkehrschluss so, dass wenn Quanten sich nicht vorhersehbar bewegen und dies wissenschaftlich bewiesen ist, es gleichzeitig der Beweis für das Phänomen Zufall ist? Denn wenn ich als Laie es richtig verstehe, dann besteht auf kleinster Ebene alles aus Quanten, richtig? Wenn diese sich also nicht vorhersehbar bewegen, müsste alles Zufall sein. Oder es geht in die Richtung die Jörn beschrieben hat, dass es bereichsspezifisch ist?
Es ist vermutlich nicht alles Zufall. Es gibt sowohl die bestimmbare Kausalität (im Großen) als auch den unbestimmbaren Zufall (im Kleinen). Der Stein fällt jedes Mal zu Boden; das ist kein Zufall. Wie, wann, wo genau er aufprallt -- innerhalb mikroskopisch kleiner Toleranzen --, ist hingegen zufällig variabel. Dank dieser Mischung aus Kausalität und Zufall ist die Welt stabil genug, um nicht ständig ins akausale Chaos zu stürzen -- und labil genug, um Evolutionen oder gar Urknalle anzustoßen. So die These.

Ein Wort zum "wissenschaftlichen Beweis": Ich denke, in der Wissenschaft gibt es nie letzte Beweise, denn morgen könnte schon wieder etwas anderes entdeckt werden, das die bisherigen Thesen möglicherweise widerlegt. Daher ist jede wissenschaftliche These nur vorläufig gültig. Eine These ist gut, wenn sie gut überprüfbar ist und man mit ihr Beobachtungen gut voraussagen kann. Fehler in der These sind aber trotzdem möglich, und deshalb ist die Wissenschaft eine fortdauernde Methode. Der Gegensatz dazu wäre zum Beispiel die Esoterik; deren Sätze sind eher Dogmen mit geheimen oder nichtexistenten Begründungen.




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Quk
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Mo 25. Mär 2024, 13:36

Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 12:55
Ich habe mal eine Frage. Die kam mir gerade in den Sinn und ist wahrscheinlich abwegig.

Der Mensch besteht zu etwa 80% aus Wasser. Das Wasser besteht aus Atomen. In den Atomen sind Quanten (laienhaft ausgedrückt.).
Das bedeutet doch, dass der Mensch auch aus Quanten besteht oder im Menschen sind Quanten (?).
Hüpfen diese Quanten auch nach dem Zufallsprinzip in uns rum? Dann wäre ja alles, was in unseren Körper passiert, zufällig?
Die Pupillen verengen sich, wenn es hell wird, sie gehen wieder auf, wenn es dunkel wird. Sie reagieren aber auch z.B. bei Angst und weiten sich. Das ist aber nicht zufällig.
Nicht nur das Wasser besteht aus Elementarteilchen, sondern der gesamte Körper. Das ist kein totales Chaos, weil das Chaos sich auf winzige Unschärfebereiche begrenzt; alles darüber hinaus ist klar kausal. Das Herzklopfen beispielsweise ist eine sehr verlässliche Kausalkette. Kleine zufällige Abweichungen bringen den Takt im Großen Ganzen nicht gleich derartig durcheinander, dass man davon sterben würde.




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Jörn Budesheim
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Mo 25. Mär 2024, 13:54

Das Gute ist, dass die Quanten sich gegenseitig beobachten, und damit bereiten sie den Boden für die Realität der mittelgroßen Dinge, wie ich es verstehe.




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Stefanie
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Mo 25. Mär 2024, 14:08

Übertragen bedeutet dies dann, dass je mehr sich das Chaos ausdehnt und nicht nur auf winzige Unschärfebereiche begrenzt ist, desto mehr Zufall?
Oder fängt dass an einem Punkt an zu kippen, also wird kausal?

Wenn bei einer Ziehung für das Spiel 77 7 mal hintereinander die Kugel 9 aus dem Kugelbehälter fällt, weil alle Kugeln mit der 9 schwerer sind als die anderen Kugel, ein Produktionsfehler, ist dass kein Zufall mehr, dass die Kugel 9 7 mal ausgelost wird.



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Quk
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Mo 25. Mär 2024, 15:03

Wenn die Neun ein spezielles Gewicht hat und häufig vorkommt, so ist dieses spezielle Gewicht wohl die wesentliche kausale Ursache für das häufige Vorkommen. Man kann das empirisch testen: Wenn bei 1000 Versuchen 1000 mal die Neun fällt, ist die Wahrscheinlichkeit erdrückend hoch, dass das spezielle Gewicht die kausale Ursache dafür ist. Wenn bei 1000 Versuchen 500 mal die Neun fällt, ist die Wahrscheinlichkeit 50% oder so, also eher insignifikant. Da können dann unbekannte Ursachen noch mitspielen oder Zufälle.




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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 14:08
Oder fängt dass an einem Punkt an zu kippen, also wird kausal?
Wir - in unseren Skalenbreichen - leben nach meinem Verständnis mehr oder weniger in einer "klassischen Welt".




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Stefanie
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Mo 25. Mär 2024, 15:41

Klassische Welt ist was?

Mir fällt das Thema "Zufall und gibt es Zufall oder nicht", immer wieder vor die Füße, und jedes mal denke ich, nun hast Du es verstanden oder durchschaut. Nur um dann erneut festzustellen, also irgendwie bekomme ich es doch nicht geklärt

Manchmal habe ich den Eindruck, man will etwas nicht als Zufall gelten lassen, weil Zufall ist etwas nicht vorhersehbares und darauf kann man sich schlechter einstellen, als auf etwas zufälliges. Ergo sucht man nach einer Erklärung, das es doch kein Zufall ist. Oder so.



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Quk
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Mo 25. Mär 2024, 15:53

Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 15:41
Klassische Welt ist was?
Klassische Physik ist Newton -- absolute Raumzeit etc. Den Übergang zur modernen Physik markiert mehr oder weniger Einstein mit seiner relativen Raumzeit. Spätestens die Quantenphysik ist keine klassische Physik mehr.




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Jörn Budesheim
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Mo 25. Mär 2024, 18:12

Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 15:41
Klassische Welt ist was?
In den Skalenbereichen, in denen wir leben, gelten die klassischen Gesetze der Physik.




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Stefanie
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Mo 25. Mär 2024, 19:52

Was bedeutet dies jetzt für den Zufall?



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Michael7Nigl
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Stefanie
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Mo 25. Mär 2024, 22:42

Das Video fing gut an, dann kam die Physik und ich war gedanklich wieder raus. Das ist so abstrakt.
Mir fehlt immer irgendwie das menschliche Handeln und Verhalten und ob es dabei überhaupt Zufall gibt.

Im Moment neige ich dazu, dass so gut wie keinen echten Zufall gibt.

Letztes Jahr hielt ich mal wieder ein Standardfortbildung für einen Bereich bei uns. Die ist mindestens 2 mal Jahr im Jahr und alle die neu anfangen müssen dahin. Ich wartete auf die Leute und las dabei die TN Liste und sagte dann laut vor mich hin, oh wir haben TN, sie heißt genauso wie der ehemalige Fussballstar xyz und schreibt sich auch so. Eine Frau, die gerade reinkam, antwortete, ich bin die Schwägerin, ich habe den Bruder geheiratet. Oh, was für ein Zufall. Nein, es war fast zwangsläufig, dass sie in dieser Schulung bei mir auftauchte. Wohnort, vorherige Tätigkeit, Ausbildung, gerade bei uns angefangen, passt.

Und was hat jetzt die Physik damit zu tun?



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Quk
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Mo 25. Mär 2024, 23:13

Ein Zufall ist meiner Ansicht nach ein Ereignis, das keine bestimmte Ursache hat.

Besonders bemerkenswert sind dabei diejenigen Ereignisse, die sehr selten eintreffen. Bei solchen Seltenheiten neigt dann der eine oder andere Mensch zu der Frage, ob so etwas seltenes von einer höheren Macht eingefädelt wurde; dank dieser Macht wird sodann der Zufall ersetzt durch irgendeine abstrakte "Bestimmtheit", und diese lässt dann das Leben besser kontrollierbar erscheinen.

Wenn sich Paula Meier und Paula Schmidt ungeplant in der Paulskirche in Sankt Pauli treffen und Fritz vermutet, die vier "Pauls" seien kein Zufall, dann will Fritz damit andeuten, dass ein Etwas dieses Treffen eingefädelt hat. Wer oder was ist dieses Einfädelnde? Ist es Gott? Schicksal? Engel? Mathematische Gesetze? Historizismus? Wer oder was ist da am Bestimmen?
Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 22:42
Oh, was für ein Zufall. Nein, es war fast zwangsläufig, dass sie in dieser Schulung bei mir auftauchte. Wohnort, vorherige Tätigkeit, Ausbildung, gerade bei uns angefangen, passt.
Ja, ich denke auch, dieses seltene Ereignis war kein Zufall sondern bestimmt durch diese Faktoren: "Wohnort, vorherige Tätigkeit, Ausbildung ..."
Wenn diese Faktoren jetzt nicht vorlägen und jemand trotzdem behauptete, es sei kein Zufall, dann müssten andere Faktoren das Ereignis bestimmt haben. Und da kann das Thema dann esoterisch oder religiös etc. werden.




Michael7Nigl
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Mo 25. Mär 2024, 23:57

Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2024, 22:42
Das Video fing gut an, dann kam die Physik und ich war gedanklich wieder raus. Das ist so abstrakt.
Mir fehlt immer irgendwie das menschliche Handeln und Verhalten und ob es dabei überhaupt Zufall gibt.

Im Moment neige ich dazu, dass so gut wie keinen echten Zufall gibt.
Zunächst würde ich vorschlagen, die Bedeutung des Begriffs "Zufall" im Wörterbuch nachzuschlagen: (https://de.wiktionary.org/wiki/Zufall)

Zufall = das nicht Vorhersehbare, das nicht Beabsichtigte

Gegenwörter: Determinismus (= Vorbestimmtheit), Schicksal

Die nächste Frage ist: "Gibt es Zufall?"

Antwort: Ja.

z.B. Radioaktiver Zerfall: Man kann nicht vorhersagen, wann ein radioaktives Atom zerfallen wird. Es kann eine Wahrscheinlichkeit dafür angegeben werden, die sich aus der Halbwertszeit ergibt. Es kann aber theoretisch sofort zerfallen oder auch nie. Der Zeitpunkt dieses Ereignisses ist unbestimmt.

Die Tatsache, dass wir dennoch im Alltag Dinge vorhersehen und berechnen können, liegt schlicht und einfach in der Statistik. Unwahrscheinliche Ereignisse passieren in der Regel nicht. Z.B. wird man es nie erleben, dass man 1000 mal hintereinander eine 1 würfelt. Ebenso wird man nicht sehen, dass quantenmechanische Unbestimmtheit im Alltag eine Rolle spielen, denn diese mitteln sich einfach über die schier riesige Anzahl der Einzelereignisse, aus denen sich eine alltägliche Situation ergibt, weg.




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