Es gibt keine Innen-Welt

Drei wichtige philosophische Schulen der Philosophie des 20. Jahrhunderts, welche die Philosophie europäischer und amerikanischer Provenienz mitgeprägt haben
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Jörn Budesheim
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Fr 26. Mai 2023, 14:11

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Nochmal zwei/drei Worte zum Begriff Innenwelt - ganz unsystematisch geschrieben.

Der Begriff "Innenwelt" ruft sofort den Begriff "Außenwelt" auf. Das heißt, es kündigt sich sofort ein gewisser Dualismus an. Das halte ich aus mehreren Gründen für problematisch. Eine "Welt" ist vom Begriff her immer ein abgegrenzter Bereich, Innen- und Außenwelt sind in dieser Begrifflichkeit nicht nur unterschieden, sondern getrennt, bzw. trennbar. Damit ergeben sich dann solche Fragen: Wie erkennen wir die Dinge "da draußen", wie erkennen wir das "Fremdpsychische" - fragwürdige Fragen, die sich aus dem Begriff sofort ergeben.

Das sind Fragen, die sich zwar aus Begriff ergeben. Aber ergeben sie sich auch aus unseren Erfahrungen, aus unserem wirklichen Leben? Ich glaube nicht. Die sogenannte Außenwelt ist nicht außen, ich erlebe sie nicht so. Eine schiefe Metapher, die das ausdrückt, ist die des "Zugangs", wie finden wir Zugang zur Außenwelt: Überhaupt nicht. Wir stehen nicht draußen vor der Tür und bitten um Einlass, wir sind schon da, mit den Dingen verwoben und verbunden, ich atme die Luft ein und aus. Ein Bild spricht mich an. Die Stimmung einer Landschaft umfasst mich. "Die Vögel fliegen still durch uns hindurch."

Auch das sogenannte Fremdpsychische erkennen wir nicht nicht, es ist nicht in der Außenwelt. Es ist keineswegs etwas von uns völlig Getrenntes in der sog. Außenwelt, sondern berührt uns in den meisten Fällen ganz direkt und unmittelbar. Die Innenwelt hat keinen Platz für das Du. Doch wenn jemand leidet, leiden wir mit, denn weder mein Leiden noch sein Leiden ist in einer Innenwelt verortet oder eingeschlossen. Es ist eine viel komplexere Struktur, vermute ich.

Und warum eigentlich nur zwei Welten? Also Innen- und Außenwelt - da fehlt doch so viel, zu dem jeder von uns gehört: Was ist mit den gerade erwähnten Du-Beziehungen? Was ist mit meinem Platz in der Gesellschaft? Was ist mit meinem Platz in der Geistesgeschichte/der Kultur? Und vieles mehr. All das lässt sich nicht mit den Begriffen "innen" und "außen" fassen. Ich erlebe mich - in gewisser Weise - als Teil der Kunstgeschichte. Ist das "in" mir? Ist das "außerhalb" von mir?

Gefühle werden oft als paradigmatisch für die Innenwelt angesehen. Aber Gefühle sind nicht für mich nicht innen. Wenn wir hier vom genius diabolus gezwungen wären, von "innen und außen" zu sprechen, dann würde ich wohl eher von außen sprechen. Es ist für mich klar: auch hier passt der Dualismus nicht so recht. Gefühle umfassen den ganzen Körper, der in diesem Paradigma eigentlich zur Außenwelt gehört. Wenn ich Angst vor einem Hund habe, der mich anbellt, dann ist Angst natürlich Angst vor dem Hund. Angst umfasst die ganze Situation, in der ich mich befinde, deren Teil ich zusammen mit dem Hund bin.

Ich glaube, dass das nur metaphorisch so ist, sondern wörtlich, natürlich auch physisch. Der Hund und ich, wir befinden uns im selben physikalischen Feld. Meine Angstgefühle sind nicht nur eine logisch/atmosphärische Struktur, sie werden auch physisch realisiert, der Hund riecht, dass ich Angst habe, was die Situation noch verschärft, diese ganze Mischung gehört zur Angst. Ich glaube nicht, dass man eine solche Situation mit den Begriffen Innenwelt und Außenwelt beschreiben kann. Gerade Emotionen sind paradigmatisch nicht innen, allein schon, weil sie gerichtet, sprich intentional und sinnhaft sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Wissenschaften bis heute überhaupt nicht wissen, "wo" unser Bewusstsein ist, wenn das überhaupt eine sinnvolle Frage ist, warum sollte es allein unter der Schädeldecke sein? Das erscheint mir nicht plausibel, so erleben wir das ja auch nicht. Fast alles, was wir erleben, hat doch eine Richtung, einen Sinn und ist nicht in einer Innenwelt gefangen.

So viel fürs Erste, vieles fehlt noch …




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AufDerSonne
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Fr 26. Mai 2023, 20:16

Ob es unter den Menschen für einen Menschen eine Innen- und Aussenwelt gibt, ist vielleicht nicht ganz klar.

Aber die Aussenwelt kommt ja daher, wenn wir etwa gegen einen harten Gegenstand laufen und uns weh tun oder nicht durch eine Mauer hindurchgehen können.
Da ist also etwas, dass Widerstand leistet, etwas dass sich uns entgegensetzt und nicht zu uns selbst gehört. So kommen wir zum Begriff einer Aussenwelt. Das sind irgendwie die Dinge, die nicht zu uns gehören, also andere Objekte, manchmal auch uns fremde Objekte, die wir noch nicht kannten, bevor wir mit ihnen in Berührung kamen.
Also der Begriff der Aussenwelt ist für mich recht klar. Problematischer ist die Innenwelt, die natürlich hineinfliesst in die Aussenwelt und umgekehrt.

Schopenhauer sagt ganz klar, ohne Subjekt kein Objekt. Es gibt nicht den Baum, sondern immer nur ein Auge, das einen Baum sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt.
Also quasi, ohne Innenwelt (Subjekt) gibt es gar keine Aussenwelt (Objekt). Schopenhauer gibt dem Subjekt ein extremes Gewicht. Ein Problem dabei ist die Materie. Sie stellt sich nun einmal einfach uns entgegen. Man kommt in Erklärungsnöte, wenn man die Materie der Innenwelt zuordnen will, was aber Schopenhauer tut. Konkretes Beispiel: Ohne Subjekt (Mensch), kein Tisch (Objekt). Normalerweise ist es ja gerade umgekehrt. Der Tisch ist sowieso da. Die frage ist, ob ihn ein Mensch wahrnimmt oder nicht. Und nicht. Der Tisch ist erst da, wenn ein Mensch da ist, der ihn wahrnehmen kann.

Auf einen konkreten Menschen bezogen, finde ich die Einteilung in Aussen- und Innenwelt nicht schlecht. Man darf die Beziehung zu den anderen Menschen nicht überbewerten, sondern man bleibt, trotz allen Kollegen und Bekannten ein Individuum.



Ohne Gehirn kein Geist!

Burkart
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Sa 27. Mai 2023, 09:56

Ach ja, Dualismus oder nicht, das ist hier die Frage ;)
Meine Ansicht grundsätzlich über egal, welchen Dualismus ist, dass man sich beiden Dualismus-Seiten und gerne auch ihr Zusammenspiel genau anschauen sollte und dann Trennendes und Verbindendes aufzeigen kann, wie beim klassischen Dualismus von Materie und Geist.

Nun vor allem zu deinem...

Die "keine Innen-Welt"-Perspektive:
Es gibt eigentlich nur eine Welt, also warum zwischen Innen und Außen unterscheiden?
Schon die Schnittmenge der Innenwelten zweier verschiedener Wesen/Menschen ist leer und umkehrt die Vereinigungsmenge der Außemwelten gleich der Gesamtwelt - für einen (theoretischen) Betrachter von ganz außerhalb gibt es also nur die eine (Außen-)Welt und keine (irgendwie allgemeine objektive) Innenwelt.

Andererseits:
Warum unterscheidet man Innen- und Außenwelt? Sicherlich nicht völlg grundlos oder auch reinem Spaß o.ä.
Ein Mensch kann einfach nicht Gedanken lesen, also in die Innen(gedanken)welt eines anderen Menschen eindringen; das gilt auch schon für dessen körperlichen Gefühle. Somit gibt es individuelle Innenwelten (und wenn du so willst damit auch Außenwelten als Gegenpol).
Ob man diese nun noch in eine (noch innerere) gedankliche und (etwas äußere) körperliche Innenwelt trennt (z.B. worauf sich das (ja individuelle) Bewusstsein bezieht), mag Geschmackssache bzw. eine Frage des Kontextes sein.

Z.B. zu
Damit ergeben sich dann solche Fragen: Wie erkennen wir die Dinge "da draußen", wie erkennen wir das "Fremdpsychische" - fragwürdige Fragen, die sich aus dem Begriff sofort ergeben.
Zum "Erkennen" sind an vorderster Front unsere Sinne da zur Datenlieferung (und elementarer Filterung u.ä.) bis hier zu unserem Gehirn (und ggf. auch unser Körper) zu deren Interpretation. Dass Erkennen nicht 100% perfekt ist, ist uns ja oft bewusst, wenn wiederum oft auch nicht. Gerade bei "Fremdpsychischem" können wir oft nur raten und hoffen, mehr oder weniger richtig zu liegen.
Aber ergeben sie sich auch aus unseren Erfahrungen, aus unserem wirklichen Leben?
Aus welchem sonst? Oder wie viele Leben hast du so?

Ansonsten wirken mir andere Details etwas durcheinander und scheinen noch darauf zu warten, weiter aufbereitet zu werden... ich warte es ab.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Karavanserai
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Mai 2023, 14:11

Der Begriff "Innenwelt" ruft sofort den Begriff "Außenwelt" auf. Das heißt, es kündigt sich sofort ein gewisser Dualismus an. Das halte ich aus mehreren Gründen für problematisch. Eine "Welt" ist vom Begriff her immer ein abgegrenzter Bereich, Innen- und Außenwelt sind in dieser Begrifflichkeit nicht nur unterschieden, sondern getrennt, bzw. trennbar.
a) Warum ist das problematisch?
b) Warum sollte eine Welt immer endlich sein?




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