das Zentrum der Welt

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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iselilja
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Fr 18. Aug 2017, 01:43

Als alternative Diskussionsrichtung zu dem momentan doch recht spannenden Thema ob es die Welt gibt, möchte ich hier einen anderen Gedankengang ins Leben rufen. Zum einen soll es darum gehen, was Welt für uns bedeutet, ob die Welt existentiell für uns ist und wie wir eigentlich überhaupt zu einer Weltsicht kommen.



Dazu ein kleiner und hoffentlich diskutabler Einstieg von mir.

In einem Punkt sind sich alle Menschen gleich, wir beginnen unser Leben im Schoß unserer Mutter. Unsere ersten Lichtblicke bekommen wir im Arm unserer Eltern. Von da an stehen alle Türen offen. Doch so verschieden unsere einzelnen Wege auch sein mögen, wir treffen einander im Leben - oftmals immer wieder. Diese Einsicht ins Phänomenale bringt uns dazu, die Welt als solches zu akzeptieren, den Raum, in dem wir uns in verschiedener Hinsicht bewegen und begegnen - wir meinen dies als gemeinsame Realität. Wir gehen Beziehungen untereinander ein, wir gehen Beziehungen mit dem Raum ein. Das Weltbild eines jeden weist diese fundamentale Charakteristik auf, die wir nicht leugnen können.

Doch wenn es darum geht, die einzelnen Beziehungen zwischen uns und der Welt zu bestimmen, zu erkunden oder einfach nur zu beschreiben, trennen sich plötzlich unsere Auffassungen darüber. Die Türen durch die wir gegangen sind oder die wir aufschließen mussten, legen jedem von uns ein individuelles Weltverständnis auf. Sie hinterlassen ihre Spuren in uns. Und je mehr wir versuchen, diese Welt zu verstehen, desto mehr Fragen stürzen auf uns ein, desto mehr Türen öffnen sich. Es gibt kein Fundament in dieser Welt, auf dem man mit beiden Beinen festen Stand hätte. Alles ist relativ - nicht nur das Relative. Wir schauen ins Universum, wir schauen ins Mikroskop, doch was wir finden ist immer nur eine weitere Entfernung von uns selbst - es gibt keine Grenzen, in denen wir uns gedanklich oder handgreiflich in dieser Welt wiederfinden oder an die wir stoßen, alles ist offen, es gibt immer ein hinter der Grenze und ein vor dem Anfang - nur eines ist immer da und identisch - wir selbst. Wir sind das Zentrum dieser Welt, das alles was darin vorkommt für sich und zu sich bestimmen muss.




Tosa Inu
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Fr 18. Aug 2017, 16:02

iselilja hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 01:43
Doch wenn es darum geht, die einzelnen Beziehungen zwischen uns und der Welt zu bestimmen, zu erkunden oder einfach nur zu beschreiben, trennen sich plötzlich unsere Auffassungen darüber. Die Türen durch die wir gegangen sind oder die wir aufschließen mussten, legen jedem von uns ein individuelles Weltverständnis auf.
Nicht ganz, finde ich. Natürlich hat jeder so sein Weltbild, aber bei aller Individualität gibt es zugleich doch auch Gruppen der Zugehörigkeit die man daran erkennt, dass sie sich sehr gut verstehen (auch, wenn sie sich nicht mögen), d.h. bestimmte Themen und Interessen, vor allem aber Herangehensweisen an Welt teilen. Das ballt sich zu Clustern.

Andere Menschen, bewegen sich dominant in anderen Clustern und es ist nicht etwa so, dass diese zu den eben genannten eine große Sympathie oder Antipathei haben, sondern sie verstehen einander buchstäblich nicht, genauer kaum. Natürlich trifft man sich aber Ebenen des Alltags, wenn man Brötchen kauft oder tanken fährt, ansonsten sind die Interessen so anders gelagert, dass es nicht einmal zum Streit reicht und Sympathiebekundungen aus anderen Clustern merkwürdig verfehlt erscheinen.

Das ist zumindest mein Eindruck.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Fr 18. Aug 2017, 16:29

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:02
Natürlich hat jeder so sein Weltbild
Es sei denn man hat sich die "Keine-Welt-Anschauung" zueigen gemacht :-)




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iselilja
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Fr 18. Aug 2017, 16:43

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:02
Nicht ganz, finde ich. Natürlich hat jeder so sein Weltbild, aber bei aller Individualität gibt es zugleich doch auch Gruppen der Zugehörigkeit die man daran erkennt, dass sie sich sehr gut verstehen (auch, wenn sie sich nicht mögen), d.h. bestimmte Themen und Interessen, vor allem aber Herangehensweisen an Welt teilen. Das ballt sich zu Clustern.
Genau, das erkennen wir im Laufe unseres Lebens irgendwann. In diesem Moment ist aber auch wieder der Cluster ein Element im Wirrwarr unseres Weltbildes, welchen wir dort irgendwie hineinweben müssen - eine Beziehung zwischen uns und der Welt, die wir verstehen wollen. Hättest Du es jetzt nicht Cluster genannt, hätte ich es vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt Gruppendynamik oder noch anders genannt.




Tosa Inu
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Fr 18. Aug 2017, 16:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:29
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:02
Natürlich hat jeder so sein Weltbild
Es sei denn man hat sich die "Keine-Welt-Anschauung" zueigen gemacht :-)
Wenn man das konsistent machen kann, vielleicht.
Vermutlich ist die keine Welt Anschauung aber letztlich keine (theoretische) Philosophie, sondern das praktische Leben im Moment.
Auch daraus ergeben sich dann schnell theoretische Fragen, aber insgesamt raten alle, die m.E. was von der Welt oder meinetwegen vom Leben verstanden haben dazu im berühmten (und berüchtigten) Hier und Jetzt zu leben. Aber auch da liegt der Teufel im Detail.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Fr 18. Aug 2017, 16:50

iselilja hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 01:43
Es gibt kein Fundament in dieser Welt, auf dem man mit beiden Beinen festen Stand hätte. Alles ist relativ - nicht nur das Relative. Wir schauen ins Universum, wir schauen ins Mikroskop, doch was wir finden ist immer nur eine weitere Entfernung von uns selbst - es gibt keine Grenzen, in denen wir uns gedanklich oder handgreiflich in dieser Welt wiederfinden oder an die wir stoßen, alles ist offen, es gibt immer ein hinter der Grenze und ein vor dem Anfang
Wenn jemand behauptet, die Welt gebe es nicht, dann verstehe ich, dass wir nach der Welt fragen wollen. Es entsteht ein Bedürfnis nach Welt. Denn es irritiert doch schon: Was kann denn Nichtsein in Bezug auf Welt überhaupt bedeuten, wenn wir uns tagtäglich in der Welt bewegen? Wir lesen in den Nachrichten schliesslich den internationalen Teil und wissen, es gibt Staaten, es gibt Menschen und es gibt Autos, es gibt den täglichen Sonnenaufgang und auch Ebbe und Flut. Ich selbst empfinde es auch als sonderbar vorzustellen, dass es da "so etwas wie Welt" nicht geben sollte. Aber dieses "so etwas wie" ist doch allein ein sehr problematisches Konstrukt :-)

Die Welt als Vollbegriff unterliegt ja auch einem Klumpenrisiko :-) Wenn wir uns nämlich näher anschauen, worin wir uns bewegen, dann müssen wir bald feststellen, dass es Welt als Ganzes in diesem vielleicht postulierten Sinne wirklich nicht gibt. Die Welt der Ameisen ist ja schliesslich nicht die Welt des Buchhalters. Und wenn der Buchhalter in einem Ameisenkostüm sich in der Freizeit auf einer Party herumtummelt, dann ist diese momentane Welt des absurden Spasses und des Ulks, ja auch eine andere als die Sture des täglichen Umgangs mit Finanzzahlen und Bilanzen. Mir scheint, dass wir selbst als Individuen einen sehr individuellen Zugang zur Welt haben, aber dieser ist nicht eindeutig dieser und kein anderer. Die Weltzuwendung des Individuums ist immer eine vielfältige, er bewegt sich in Interessensgemeinschaften (Clustern), er bewegt sich in seiner Seelenwelt, in seiner Phantasiewelt, empfindet die Welt einmal als so und dann wieder anders, je nach Betonung der verschiedenen Aspekte. Alle diese "Welten" sind ja Teil von Welt und summiert man alle individuellen Zugänge zur Welt in der beschriebenen Vielfältigkeit der "Weltzugewandheit", ergibt sich nicht mehr ein so klares Bild davon, was "Welt" eigentlich ist. Aber darüber lässt sich ja dann sehr schön diskutieren.

Ich finde es für eine schöne Diskussion übrigens von "conditiosinequanon'scher" Bedeutung, dass wir klar zu unterscheiden versuchen, was die Begriffe für uns je bedeuten, aber vor allem, was sie uns gemeinsam bedeuten. Denn von der Wirklichkeit zu sprechen, bedeutet für mich nicht von der Möglichkeit zu sprechen, dass alle sei. Um ein Beispiel zu nennen: Dass wir die Existenz von Ausserirdischen nicht feststellen können, muss nicht die zwingende Existenz eines Ausserirdischen bedeuten. Dass ich von Kleinasien spreche und dabei den Raum um die Türkei meine, das müsste dann von anderen auch so gesehen werden können und nicht plötzlich abgestritten. Wenn man einander immer von neuem die gebräuchlichen Dinge in Frage stellen muss, dann wird der Boden tatsächlich dünn.
Zuletzt geändert von Alethos am Fr 18. Aug 2017, 17:19, insgesamt 3-mal geändert.



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Tosa Inu
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Fr 18. Aug 2017, 16:53

iselilja hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:43
Hättest Du es jetzt nicht Cluster genannt, hätte ich es vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt Gruppendynamik oder noch anders genannt.
Das meinte ich auch damit, eine Gruppendynamik (schön finde ich auch: "kultueller Magnet") durch die wir uns, eine kürzere oder längere Zeit lang, angekommen fühlen.
Der andere spannende Aspekt ist die frappierende Sprachlosigkeit zwischen den "Ebenen".



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Fr 18. Aug 2017, 17:07

Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:50
[Ich selbst empfinde es auch als sonderbar vorzustellen, dass es da "so etwas wie Welt" nicht geben sollte.
Sagen wir mal so: Das, was man als Welt oder "meine Welt" bezeichnet, also das, mit dem man sich umgibt, die Medien, die man konsumiert, die Themen, die einen interessieren, was man doof und langweilig findet, wo man einkauft und wie man seine Freizeit verbringt, ist st ja doch immer ein enger Ausschnitt des möglichen (oder unmöglichen) Ganzen.
Im Laufe der Zeit verfestigen sich diese Modi sogar noch, was man heute Blasen oder Echokammern nennt.
In diesem philosophisch abgespeckten Sinne, leben wir ohnehin >99% der Welt nicht. (Und eine interessante Frage in dem Zusammenhang heißt, was es denn eigentlich heißen soll, ein allumfassendes Bewusstsein zu haben.)
Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:50
Die Welt als Vollbegriff unterliegt ja auch einem Klumpenrisiko :-) Wenn wir uns nämlich näher anschauen, worin wir uns bewegen, dann müssen wir bald feststellen, dass es Welt als Ganzes in diesem vielleicht postulierten Sinne wirklich nicht gibt. Die Welt der Ameisen ist ja schliesslich nicht die Welt des Buchhalters.
Ja, genau das meinte ich.
Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:50
Mir scheint, dass wir selbst als Individuen einen sehr individuellen Zugang zur Welt haben, aber dieser ist nicht eindeutig dieser und kein anderer. Die Weltzuwendung des Individuums ist immer eine vielfältige, er bewegt sich in Interessensgemeinschaften (Clustern), er bewegt sich in seiner Seelenwelt, in seiner Phantasiewelt, empfindet die Welt einmal als so und dann wieder anders, je nach Betonung der verschiedenen Aspekte.
Ich glaube, dass es auch in der Individualpsyche Schwerpunkte gibt, Orte, Erlebens- und Erkenntniserfahrungen, an die wir immer wieder zurück kehren.
Dann aber immer auch plötzliche Regressionen (aus einer Vielzahl möglicher Gründe), sowie ein Austrecken der Hand um ganz neue, andere Bereiche wenigstens probeweise zu erfahren. Um dann festzustellen, dass es nichts für einen ist, oder dort tiefer einzutauchen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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iselilja
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Fr 18. Aug 2017, 17:21

Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:50

Die Welt als Vollbegriff unterliegt ja auch einem Klumpenrisiko :-) Wenn wir uns nämlich näher anschauen, worin wir uns bewegen, dann müssen wir bald feststellen, dass es Welt als Ganzes in diesem vielleicht postulierten Sinne wirklich nicht gibt. Die Welt der Ameisen ist ja schliesslich nicht die Welt des Buchhalters.
Gut, dass Du diesen Aspekt heranziehst. Ich hätte es vermutlich später auch selbst getan. Ich versuche es mal mit dem oben von @Tosa Inu erwähnten Clustern zu erklären. Wir erkennen irgendwann im laufe unseres Lebens, dass es soetwas gibt, was wir dann Cluster nennen. Später begreifen wir, dass es Cluster von Clustern gibt usw. Ich will jetzt auch nicht auf den regressus ad infinitum hinaus, sondern, dass wir immer dem, was wir erkennen, einen Namen einen Begriff geben. Gleichzeit aber auch immer bemüht sind die jeweils neu entstandenen Begriffe im Gesamtzusammenhang zu verstehen. Und dieser Gesamtzusammenhang bedeutet ja nicht ein Alles im holistischen Sinn, sondern eher ein Alles was wir bis jetzt benennen können. Es gibt keine Welt außerhalb der Welt.

In einem anderen Forum wurde mal folgendes geschrieben, was ich sehr einleuchtend fand. "Es gibt kein von mir unabhängiges Ich.". Genauso gibt es (m.E.) kein von mir unabhängiges Weltbild, in dem ich vorkomme.




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iselilja
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Fr 18. Aug 2017, 17:39

Die Welt ist auch keine Ansammlung von Existierendem oder Seiendem. Die Welt ist keine Frage der Ontologie oder der Religion oder sonstwas, weil all das ja selbst in der Welt vorkommt. In der Welt kommen wir und der ganze Rest vor. Zu diesem Rest lernen wir die verschiedensten (und immer von uns verschiedenen) Dinge zu zählen. No risk no fun kommt in der Welt ebenso vor wie Milchmädchenrechnung oder Ontologie. Warum? Weil es für uns eine Bedeutung in der Welt hat, die wir selbst erschließen mussten. Einige der Türen also, die nicht schon offen für uns standen. :-)




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novon
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Fr 18. Aug 2017, 23:27

Der eine oder andere könnte vielleicht verstehen, dass "Die Welt existiert nicht" nicht etwa notwendig eine Negation von Welt dahingehend darstellt, dass alles irgendwie ins Nichten geriete, sondern, ganz im Gegenteil, aussagen möchte, dass Welt jedem Existierenden notwendig vorgeordnet zu denken wäre. Nicht, dass ich Gabriel in sein Labyrinth zu folgen gedenke, denn entsprechende - deutlich konzisere - Konklusionen bestehen schon wesentlich länger, als dieser...
Eigentlich ganz einfach: Welt existiert nicht, sondern bedingt jegliche Möglichkeit von Existieren. Dass überhaupt davon die Rede sein kann (schon hier) dass etwas existiere, setzt Welt bereits voraus. Und zwar nicht als irgendwie existierend, sondern als diese ermöglichend.




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iselilja
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Sa 19. Aug 2017, 03:35

novon hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 23:27
Dass überhaupt davon die Rede sein kann (schon hier) dass etwas existiere, setzt Welt bereits voraus. Und zwar nicht als irgendwie existierend, sondern als diese ermöglichend.
So in etwa verstehe ich das eigentlich auch. Wenn ich (persönlich) mit dem Begriff Welt so herum operiere in Gedanken, dann hat dieser Begriff - das was ich damit verbinde, was er für mich bedeutet - garnichts mit Existenz im eigentlichen Sinne zu tun. Es ist mehr eine Art "Sammelbecken" meiner Erkenntnisse, ohne dabei selbst eine bestimmte Form oder Qualität zu haben. Weil eben alles, was ich gedanklich oder sprachlich hervorbringen kann als Welt von mir zusammengefasst wird. Selbst der Begriff das Ganze ist ebenfalls nur Teil dieser Welt,weil er in der Welt von mir hervorgebracht werden kann. Für Mathematiker sicherlich ein fundamentaler Widerspruch, aber das ist irrelevant, weil eben auch die Mathematik.. etc.

M.E. gibt es nichts weltbestimmendes, außer mir selbst. Damit ist jetzt kein Solipsismus gemeint, sondern einfach, dass alles was ich erkennen und begreifen kann in diese Welt als Teil dieser einfließt. Und es liegt letztendlich nur an mir selbst, dies so zu ordnen, dass es einen Sinn ergibt. Wer sollte diese Aufgabe auch sonst übernehmen können? :-)




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Alethos
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Sa 19. Aug 2017, 14:25

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:07
Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:50
[Ich selbst empfinde es auch als sonderbar vorzustellen, dass es da "so etwas wie Welt" nicht geben sollte.
Sagen wir mal so: Das, was man als Welt oder "meine Welt" bezeichnet, also das, mit dem man sich umgibt, die Medien, die man konsumiert, die Themen, die einen interessieren, was man doof und langweilig findet, wo man einkauft und wie man seine Freizeit verbringt, ist st ja doch immer ein enger Ausschnitt des möglichen (oder unmöglichen) Ganzen.
Im Laufe der Zeit verfestigen sich diese Modi sogar noch, was man heute Blasen oder Echokammern nennt.
In diesem philosophisch abgespeckten Sinne, leben wir ohnehin >99% der Welt nicht. (Und eine interessante Frage in dem Zusammenhang heißt, was es denn eigentlich heißen soll, ein allumfassendes Bewusstsein zu haben.)
Diese sich verfestigenden Räume, Blasen, Sphären sehe ich auch. Die eigene Lebenswirklichkeit konkretisiert sich und man bewegt sich in relativ engen Grenzen. Ein allumfassendes Bewusstsein? Weiss leider nun nicht, in welchem Zusammenhang dies hier steht. Und ich bin auch nicht sicher, ob es wirklich ertragreich weitergeführt werden kann. Denn da sind zwei Begriffe im Spiel - All, Alles und Bewusstsein - so dass ich befürchte, dass es uns nicht weiterbringt. Aber vielleicht meinst du ja etwas ganz anderes als ich?



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Sa 19. Aug 2017, 14:38

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:07


Ich glaube, dass es auch in der Individualpsyche Schwerpunkte gibt, Orte, Erlebens- und Erkenntniserfahrungen, an die wir immer wieder zurück kehren.
Dann aber immer auch plötzliche Regressionen (aus einer Vielzahl möglicher Gründe), sowie ein Austrecken der Hand um ganz neue, andere Bereiche wenigstens probeweise zu erfahren. Um dann festzustellen, dass es nichts für einen ist, oder dort tiefer einzutauchen.
Das mit dem Doppelzitieren habe ich noch nicht so im Griff, sorry. Ich brauche noch zwei Beiträge für zwei Zitate :(

Es gibt sicher die Gewohnheit zu Gewohnheiten. Eine ganz schöne Regelmässigkeit im Leben, die uns immer wieder rückversichert zu sein, der man glaubte zu sein :-) So bildet sich denke ich auch Identität aus, indem man sich immer mit sich selbst gleichsetzt. Und Wachstum, indem man seine engen Grenzen porös macht, Durchgänge schafft, Luft und Licht reinlässt.
Aber alles das, was uns zu uns selbst zurückführt, ist für mich ein klarer Beweis, dass Welt eben ist. Es mag sein, dass es formallogisch kein 'Sinnfeld aller Sinnfelder' gibt, aber es gibt eine Lebenswelt und die gibt es zwingend.



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Sa 19. Aug 2017, 15:22

Alethos hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 14:38
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:07


Ich glaube, dass es auch in der Individualpsyche Schwerpunkte gibt, Orte, Erlebens- und Erkenntniserfahrungen, an die wir immer wieder zurück kehren.
Dann aber immer auch plötzliche Regressionen (aus einer Vielzahl möglicher Gründe), sowie ein Austrecken der Hand um ganz neue, andere Bereiche wenigstens probeweise zu erfahren. Um dann festzustellen, dass es nichts für einen ist, oder dort tiefer einzutauchen.
Das mit dem Doppelzitieren habe ich noch nicht so im Griff, sorry. Ich brauche noch zwei Beiträge für zwei Zitate :(

Es gibt sicher die Gewohnheit zu Gewohnheiten. Eine ganz schöne Regelmässigkeit im Leben, die uns immer wieder rückversichert zu sein, der man glaubte zu sein :-) So bildet sich denke ich auch Identität aus, indem man sich immer mit sich selbst gleichsetzt. Und Wachstum, indem man seine engen Grenzen porös macht, Durchgänge schafft, Luft und Licht reinlässt.
Aber alles das, was uns zu uns selbst zurückführt, ist für mich ein klarer Beweis, dass Welt eben ist. Es mag sein, dass es formallogisch kein 'Sinnfeld aller Sinnfelder' gibt, aber es gibt eine Lebenswelt und die gibt es zwingend.
Ich versuche mal am Begriff Lebenswelt anzuknüpfen, weil es mir einige Hintergründe ganz gut zu beleuchten scheint.

Irgendwie steht im Mittelpunkt unseres Seins, unseres Daseins doch immer das selbst Überleben können. Dieses Überleben konvergiert mit dem Ich insofern, dass wir offenbar davon ausgehen, dass wenn kein Überleben auch kein Ich mehr da ist. Ich verschwände umgangssprachlich aus dieser Welt. Und alles, was zum Verhindern dieses Verschwindens hilfreich erscheint, betrachten wir für uns selbst als Wahrheit. Das umfasst das Unterscheiden können einer Schlange im Gras von einem heruntergefallenen Ast genauso ein, wie das Erkennen einer Lüge und einer angemessenen Reaktion. Die Welt, die wir uns erschließen ist somit immer auch unsere Lebenswelt, in der wir zurecht kommen müssen.

Darüber hinaus ist aber die Welt auch das, was in ferneren Bereichen mit unseren Begriffen greifbar/begreifbar wird. Denn es wirkt genauso auf uns.. uns lässt eben der Gedanke nicht kalt, dass bspw. ein Komet auf die Erde zu rasen könnte.
Zuletzt geändert von iselilja am Sa 19. Aug 2017, 18:57, insgesamt 1-mal geändert.




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Alethos hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 14:25
Diese sich verfestigenden Räume, Blasen, Sphären sehe ich auch. Die eigene Lebenswirklichkeit konkretisiert sich und man bewegt sich in relativ engen Grenzen. Ein allumfassendes Bewusstsein? Weiss leider nun nicht, in welchem Zusammenhang dies hier steht. Und ich bin auch nicht sicher, ob es wirklich ertragreich weitergeführt werden kann. Denn da sind zwei Begriffe im Spiel - All, Alles und Bewusstsein - so dass ich befürchte, dass es uns nicht weiterbringt. Aber vielleicht meinst du ja etwas ganz anderes als ich?
Ich kann es auch so formulieren: Wann hat man eigentlich von etwas begriffen, um was es geht? Wie nah kann man da einem anderen kommen und wie nahe muss man ihm kommen, um sagen zu können, dass man ihn verstanden hat?



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Alethos hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 14:38
Es gibt sicher die Gewohnheit zu Gewohnheiten. Eine ganz schöne Regelmässigkeit im Leben, die uns immer wieder rückversichert zu sein, der man glaubte zu sein :-) So bildet sich denke ich auch Identität aus, indem man sich immer mit sich selbst gleichsetzt.
Glaube ich auch. Eigentlich eine Basis, von der aus man auf zu neuen Denkufern starten könnte, eigenartigerweise, so ist zumindest mein Eindruck, wird das Denken aber auch immer gewohnheitsmäßiger und enger.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 15:59
Alethos hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 14:38
Es gibt sicher die Gewohnheit zu Gewohnheiten. Eine ganz schöne Regelmässigkeit im Leben, die uns immer wieder rückversichert zu sein, der man glaubte zu sein :-) So bildet sich denke ich auch Identität aus, indem man sich immer mit sich selbst gleichsetzt.
Glaube ich auch. Eigentlich eine Basis, von der aus man auf zu neuen Denkufern starten könnte, eigenartigerweise, so ist zumindest mein Eindruck, wird das Denken aber auch immer gewohnheitsmäßiger und enger.
Ja, das habe ich auch befürchtet, darum habe ich Wachstum eingeworfen, quasi so beiläufig, im Sinne von Weiterentwicklung und Fortschitt. Wir sind ja nicht nur je uns selbst, sondern im besten Falle auch eine stets bessere Version von uns selbst. Aber dafür, so denke ich, braucht es eine Investition in eine Grenzerfahrung, die die Autopoiesis des Ichsystems (um irgendeine Wortkreation zu verwenden) aufsprengt, und sich mit dem Wir-System vermischt. Ich denke, in die Welt kommen bedeutet, in einen Wir-Verbund zu kommen und dort immer wieder Grenzerfahrungen zu machen. Die Grenze der eigenen Identität zu schärfen, aber auch durchlässig zu halten, damit Wachstum und Ausweitung möglich wird.



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Sa 19. Aug 2017, 18:05

Alethos hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 16:47
Ja, das habe ich auch befürchtet, darum habe ich Wachstum eingeworfen, quasi so beiläufig, im Sinne von Weiterentwicklung und Fortschitt. Wir sind ja nicht nur je uns selbst, sondern im besten Falle auch eine stets bessere Version von uns selbst. Aber dafür, so denke ich, braucht es eine Investition in eine Grenzerfahrung, die die Autopoiesis des Ichsystems (um irgendeine Wortkreation zu verwenden) aufsprengt, und sich mit dem Wir-System vermischt. Ich denke, in die Welt kommen bedeutet, in einen Wir-Verbund zu kommen und dort immer wieder Grenzerfahrungen zu machen. Die Grenze der eigenen Identität zu schärfen, aber auch durchlässig zu halten, damit Wachstum und Ausweitung möglich wird.
Das Problem ist wohl, dass ein stark erweitertes Wir zwar denkbar, aber nicht unbedingt fühlbar ist. Und wo man mit den Fernsten identifiziert ist, geschieht das nnicht selten auf Kosten einer Identifikation mit den Nächsten. Ein solides Fortschreiten der Identifikation in konzentrischen Kreisen wäre wohl nicht schlecht, aber das Leben lässt einen selten so lineare Wege gehen.



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Sa 19. Aug 2017, 19:10

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2017, 18:05


Das Problem ist wohl, dass ein stark erweitertes Wir zwar denkbar, aber nicht unbedingt fühlbar ist. Und wo man mit den Fernsten identifiziert ist, geschieht das nnicht selten auf Kosten einer Identifikation mit den Nächsten. Ein solides Fortschreiten der Identifikation in konzentrischen Kreisen wäre wohl nicht schlecht, aber das Leben lässt einen selten so lineare Wege gehen.
Ein interessanter Punkt. Ich hoffe, ich habe Dich auch richtig verstanden.

Meinst Du das so, dass wir uns mehr oder weniger immer nur in Teilbereichen des Allgemeinen gedanklich und damit auch begrifflich wiederfinden können, weil wir eigentlich auch fühlen müssen? So könnte ich mir zumindest ganz gut erklären, dass wir heute eine gegenteilige Überzeugung haben können als gestern noch. Was m.E. dann darauf hinausläuft, dass es tatsächlich kein wirkliches Fundament unserer Überzeugungen gibt.




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