Ganz genau. Und jetzt die entscheidende Frage, wie sollte sich Geltung in Raum und Zeit befinden, das halte ich für eine absurde Idee.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 27. Apr 2024, 11:20Dann muß ich daran erinnern, was "Logik" ist: die Lehre vom formal richtigen Schließen. Logik sagt nichts über inhaltliche Wahrheit aus, sondern nur, daß ich durch korrektes Umformen und Konsequenzenziehen nicht zum Gegenteil dessen komme, wovon ich ausgegangen bin. Es ist die Wissenschaft vom bzw Reflexion des richtigen operativen Denkens, keine, wie Du sehr richtig bemerkst, empirische Wissenschaft. [Hervorhebungen von mir]
In einem anderen Faden diskutieren wir gerade über Platon und seine berühmtberüchtigten Ideen. In einem sehr aktuellen Buch von Platon liest man folgendes:
Bettina Fröhlich, Platon, 2023 hat geschrieben : Eine besonders intensive Platon-Rezeption findet sich in der Naturwissenschaft. Die moderne Physik hat großes Interesse an Platons Kosmologie sowie an der platonischen Auffassung der mathematischen Wahrheit entwickelt.
Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) ging in verschiedenen Aufsätzen und Vorträgen der Frage nach, ob und inwiefern Platons Philosophie Grundprobleme der heutigen Wissenschaft klären könne.
Seine Auseinandersetzung mit Platon verstand er als Gespräch nach dem Vorbild der gemeinsamen Suche nach Wahrheit, wie sie in den sokratischen Dialogen vollzogen wird. Im Bestreben, die Bedeutung des platonischen Denkens in das moderne Bewusstsein zu heben, verwies von Weizsäcker darauf, dass »alle Grundbegriffe, welche die Wissenschaft naiv verwendet, […] ihren Ursprung in der Denkanstrengung der klassischen, letztlich der griechischen Philosophie« haben.
In seinem Werk The Road to Reality vertritt der Physiker Roger Penrose (*1931) die These, dass es von großem Vorteil sei, in Anknüpfung an Platon mathematischen Strukturen eine eigene Realität zuzuschreiben. Durch die Annahme der »Objektivität der mathematischen Wahrheit« erhalte man einen »Maßstab, der weder von unseren individuellen Meinungen noch von unserer besonderen Kultur abhängt«.
[Das ist natürlich der Punkt mit der Geltung, den ich besonders stark machen möchte, auch wenn es andere Aspekte gibt, die ebenfalls für den Platonismus sprechen.]
Diese Zitate beweisen zwar natürlich nicht, dass die Position, die ich vertrete korrekt ist, schließlich könnten sich die Autoren und Autorinnen irren. Aber es zeigt meines Erachtens deutlich, dass diese Position erstens ziemlich weit verbreitet ist und zweitens offensichtlich für viele Leute, die sich tagein tagaus mit dem Thema beschäftigen eine hohe Plausibilität aufweist. Hier noch einige weitere Zeugen und Zeuginnen:
In der Philosophie der Mathematik z.B. ist dies eine sehr verbreitete Position. In der Einführung in die Philosophie der Mathematik von Jörg Neunhäuserer heißt es:
"In einer Befragung von 931 Philosophen durch PhilPapers ist der Platonismus in Bezug auf abstrakte Gegenstände die am häufigsten vertretene Position, und unter Mathematikern scheint der Platonismus noch wesentlich verbreiteter zu sein als unter Philosophen."
Was damit gemeint sein könnte, kann man den folgenden Zeilen entnehmen:
"[Ich, Jörg Neunhäuserer bin] Anhänger eines platonischen Realismus in der Ontologie der Mathematik, eines Rationalismus in der Erkenntnistheorie der Mathematik und einer wissenschaftstheoretischen Abgrenzung der Mathematik von den anderen Wissenschaften. Das heißt, dass [ich der Überzeugung bin], dass die Gegenstände der Mathematik unabhängig von mentalen Vorgängen und jenseits der physikalischen Raum-Zeit existieren, dass wir mathematische Erkenntnisse durch unmittelbare rationale Einsicht und logische Deduktion gewinnen und dass die Mathematik durch ihre methodische Praxis klar von allen anderen Wissenschaften unterschieden ist. Diese Position ist nicht originell, eher konservativ und in der Philosophie der Mathematik umstritten. Vielleicht ist [meine] Perspektive typisch für einen Mathematiker, der sich mit der Philosophie der Mathematik beschäftigt."
Mit anderen Worten: Zahlen sind gemäß dieser weit verbreiteten Position nicht im Kopf. Das denkt auch der deutsche Mathematiker Peter Scholze, der vor einiger Zeit mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde: "Ich denke tatsächlich, dass die Zahlen unabhängig von uns sind." Dies scheint mir die Standardposition in (der Philosophie) der Mathematik zu sein, obwohl sie natürlich, wie immer in der Philosophie, umstritten ist.