Salutitutti hat geschrieben : ↑ Sa 23. Mär 2024, 21:22
Darf ich kurz dazwischenfragen: Wenn die Banane gelb ist, sie diese Eigenschaft hat, ein anderer Rezeptor (nochmal unsere Biene) aber nicht gelb wahrnimmt, sondern etwas anderes, z.B. rot, dann wäre in diesen Augen rot die Eigenschaft der Banane. Korrekt? Weil auch bei der Biene ist Rot ein Grundbegriff. Bitte kurz hier mit ja oder nein antworten, damit ich weiter denken kann :-)
Salutitutti hat geschrieben : ↑ Fr 22. Mär 2024, 20:38
Bei unseren Gedankenexperimenten tun wir gerne so, als wären wir nicht wir...
Mit einem kurzen Ja oder Nein kann ich im Moment nicht dienen, ich gebe zwei oder drei Zeilen mehr, wenn ich darf. Dabei versuche ich nicht so zu tun, als wären wir nicht die Tiere, die wir sind :) das gleiche gilt natürlich für die anderen Tiere.
Die meisten Säugetiere haben zwei Zapfen für Blau und Grün. Bei Primaten, einschließlich des Menschen, hat sich jedoch im Laufe der Evolution ein dritter Zapfen für warme Rot- und Gelbtöne entwickelt, vermutlich, "um" reife Früchte besser erkennen zu können. "Die Evolution" hat das Farbsehen gut an die jeweiligen Bedürfnisse und Umgebungen angepasst. Das heißt, nicht alle Tiere können erkennen, dass die Banane gelb ist. Für manche ist die Farbe der Banane auch gar nicht von Belang.
Mit drei Zapfen können wir Menschen alle Farben des Regenbogens sehen, aber die Natur bietet viel mehr Farben, als wir erkennen können. Welche der vielen Farben wir Lebewesen sehen können, hängt von unserer Registratur ab. Viele Tiere sehen Farben. Und viele können sie sogar besser unterscheiden als wir Menschen. Zum Beispiel können Bienen ultraviolettes Licht sehen, was ihnen hilft, Blumen zu finden, auch wenn sie die Farbe Rot nicht erkennen können, wie man lesen kann (
hier).
Welche Farben wir aus der Fülle der Farben sehen können, hängt also auf den ersten Blick in gewisser Weise von uns ab, nämlich von den Zapfen, die wir haben. Wobei das natürlich nicht ganz stimmt, denn genauer gesagt, hängt es von unserem Platz in der Wirklichkeit ab, es ist eine Wechselwirkung, ich habe es oben eine Relation genannt. Wir betrachten die Wirklichkeit nicht von außen, wir sind mittendrin.
Das Rotsehen hat sich entwickelt, weil wir so die reifen Früchte besser erkennen können. Dass wir die Farbe der reifen Früchte sehen können, ist ein großer evolutionärer Vorteil. Bienen scheinen nicht so gut in Rot zu sein, aber sie können andere Aspekte der Realität wahrnehmen, die uns verborgen sind, z.B. ultraviolettes Licht, weil die zerstörerische Kraft dieses Lichts für sie aufgrund ihrer kürzeren Lebensdauer nicht die Relevanz hat, die sie für uns hat. Das ist immer noch nicht ganz richtig, denn auch die Farben der Pflanzen haben sich evolutionär entwickelt, weil es eben von Vor- bzw Nachteil sein kann, sichtbar zu sein, auch hier ein Wechselspiel.
Salutitutti hat geschrieben : ↑ Fr 22. Mär 2024, 17:56
Der Gegenstand "Tisch" ist eben nicht primär ein Atomding, sondern ein Möbelstück. Und das Objekt "Atomhaufen" ist eben nicht a priori ein Tisch, weil es alles sein könnte, was man aus Atomen basteln kann. Und ich meine, dass diese Existenzen des Gegenstandes, einmal als Tisch, einmal als Atomhaufen, gleichberechtigt sind, weil sie wahre Aussagen über den Gegenstand ermöglichen.
Dieses Zitat möchte ich noch einmal für den Kontext der Farben aufgreifen. Ich bin kein metaphysischer Realist. Das heißt, ich glaube nicht, dass es sozusagen nur eine Wahrheit über die Wirklichkeit gibt (Tisch oder "Atomhaufen"), weil die Wirklichkeit kein einheitlicher Bereich ist. (Das ist nur ein anderer Ausdruck dafür, dass es die Welt nicht gibt.) Es ist also sowohl wahr, dass der Tisch ein "Atomhaufen" ist, als auch, dass er ein Möbelstück ist. Das schließt sich nicht aus, weil wir von zwei verschiedenen, aber natürlich nicht getrennten Bereichen sprechen.
Ähnliches würde ich für das Farbensehen von Bienen und Menschen sagen. Das bezieht sich auf deine Frage, ob unser Farbsehen wahrer ist, als das der Bienen. Dieser Ansicht bin ich natürlich nicht.
Die Bienen leben in einem anderen Realitätsbereich als wir, auch wenn sich diese Bereiche natürlich sehr stark überschneiden können. Sie sehen etwas anderes, andere Aspekte der Wirklichkeit, weil für sie andere Dinge relevant sind. Wir haben es hier also mit einem etwas anderen Verhältnis des Lebewesens zu seiner Umwelt zu tun. Das ist meines Erachtens ein Punkt, den man nicht einfach ignorieren kann, wir sollten nicht so tun, als wären wir nicht wir. Für die Bienen sind andere Dinge wichtig als für uns, und deshalb sehen sie andere Bereiche als wir. Das ist natürlich nicht vollständig der Fall, das heißt, wir leben nicht in vollständig getrennten Sphären, denn wenn ich im Sommer im Schrebergarten am Tisch sitze, dann kann sich die Biene - genauso wie ich - auf die reifen Früchte auf dem Tisch beziehen, wir können also in einem gewissen Sinn triangulieren, um diesen Begriff aufzugreifen, auch wenn für sie das Rot nicht ins Auge fallen kann, so wie für mich das Ultraviolett nicht sichtbar ist.