40 shades of consciousness

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Quk
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Sa 5. Okt 2024, 11:08

Consul hat geschrieben :
Sa 5. Okt 2024, 03:48
[Popper] hat unrecht, denn Begriffsanalysen und -definitionen sind in der Philosophie und der (theoretischen) Wissenschaft keineswegs unnötig oder unwichtig.
Das meinte er nicht. Popper meinte die Begrifflichkeitsdebatten. Natürlich sind Wortdefinitionen auch für ihn wichtig, aber nicht als dogmatische Nominaldefinition, sondern gegebenenfalls als Einführung vor einer Theorie oder sonstigem Text. Und diese Einführung darf variabel sein, je nach Autor; wichtig ist nur, dass der Autor seine Definition erklärt und nicht fordert, diese zum Dogma zu erheben. Als Einführung steht bei ihm da nicht: "Die wahre Definition von Wasser lautet ABC", sondern: "Im folgenden Text ist mit Wasser ABC gemeint."

Das ist vollständig im Sinne Deines Kommentars hier, den ich auch für richtig halte:
Consul hat geschrieben :
Sa 5. Okt 2024, 03:24
Nominaldefinitionen sind sprachliche Konventionen; und als solche sind sie weder wahr noch falsch, sondern nur (un)angemessen, (un)geeignet, (un)passend, (un)tauglich.
Eine Realdefinition wie "x ist Wasser =def x besteht aus H2O-Molekülen" ist dagegen insofern wahr, als sie auf einer natürlichen, von Chemikern entdeckten Tatsache beruht.
(Popper Dogmatismus vorzuwerfen, ist absurd.)

Ja, manche Wörter sind nur schwer ersetzbar. Rot kann man durch Röte ersetzen und unterschiedliches damit meinen. Aber das ist jetzt das Suchen des Haars in der Suppe. Fast alle Wörter sind ersetzbar. Meerwasser, Salzwasser, Wasser, Meer, Ozean, See, Seewasser ...

Ja, Qualia-Inhalte wie rot oder salzig sind undefinierbar.

Definition definiere ich so: Sie erläutert etwas mit schon erlernten Wörtern. Da alles auf Erlerntem fußt, kann es immer Missverständnisse geben.
Zuletzt geändert von Quk am Sa 5. Okt 2024, 11:26, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 5. Okt 2024, 12:00

Quk hat geschrieben :
Sa 5. Okt 2024, 11:08
alle Wörter sind ersetzbar
„Rot“ ist unser Wort für den Begriff [rot]. Statt dieser Buchstabenfolge könnten wir andere nehmen. So gesehen sind natürlich alle Wörter ersetzbar, z.B. „rot“ durch „rouge“ oder „red“ oder „doq“, was das klingonische Wort für „rot“ ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass alle Begriffe ersetzbar sind. Wörter sind ja nur die Spielmarken für die Begriffe.




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Consul
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So 6. Okt 2024, 00:04

RoloTomasi hat geschrieben :
Sa 5. Okt 2024, 11:25
Aber der Witz bei Bewusstsein ist, dass man es nicht in dieser Weise objektivieren, also vergegenständlichen kann. Bewusstsein liegt nicht gegenständlich vor, es ist kein 'Datum': und was immer man objektiv untersucht, das Bewusstsein ist es nicht.
Ich kann mein Bewusstsein sehr wohl in dem Sinn "vergegenständlichen", dass ich es (seine Inhalte) zum Gegenstand meiner inneren Wahrnehmung/Beobachtung machen kann. Und wenn Bewusstseinsvorgänge aus nichts weiter als Nervenvorgängen bestehen (wie vom reduktiven Materialismus behauptet), dann kann man sie auch zum Gegenstand der äußeren Wahrnehmung/Beobachtung machen.
Einen Bewusstseinsvorgang äußerlich als Nervenvorgang zu beobachten, bedeutet nicht, ihn selbst als Bewusstseinsvorgang zu erleben—es sei denn, das Subjekt der äußeren Beobachtung und das Subjekt der inneren Beobachtung sind identisch.
"…with the help of an autocerebroscope. We may fancy a 'compleat autocerebroscopist' who while introspectively attending to, e.g., his increasing feelings of anger (or love, hatred, embarrassment, exultation, or to the experience of a tune-as-heard, etc.) would simultaneously be observing a vastly magnified visual 'picture' of his own cerebral nerve currents on a projection screen. (This piece of science fiction is conceived in analogy to the fluoroscope with the help of which a person may watch, e.g., his own heart action.) Along the lines of the proposed realistic interpretation he would take the shifting patterns visible on the screen as evidence for his own brain processes. Assuming the empirical core of parallelism or isomorphism, he would find that a 'crescendo' in his anger—or in the melody he heard—would correspond to a 'crescendo' in the "correlated" cortical processes. (Similarly for 'accelerandos', 'ri-tardandos', etc. Adrian's and McCulloch's experiments seem to have demonstrated a surprisingly simple isomorphism of the shapes of geometrical figures in the visual field with the patterns of raised electric potentials in the occipital lobe of the cortex.) According to the identity thesis the directly experienced qualia and configurations are the realities-in-themselves that are denoted by the neurophysiological descriptions. This identification of the denotata is therefore empirical, and the most direct evidence conceivably attainable would be that of the autocerebroscopically observable regularities."

(Feigl, Herbert. The 'Mental' and the 'Physical': The Essay and a Postscript. Minneapolis, MN: University of Minnesota Press, 1967. pp. 89-90)
————————————
"…mit Hilfe eines Autozerebroskops. Wir können uns einen ‚vollständigen Autozerebroskopiker‘ vorstellen, der, während er sich introspektiv beispielsweise seinen zunehmenden Gefühlen der Wut (oder Liebe, Hass, Verlegenheit, Hochgefühl oder dem Erleben einer Melodie, wie sie gehört wird, usw.) widmet, gleichzeitig ein stark vergrößertes visuelles ‚Bild‘ seiner eigenen zerebralen Nervenströme auf einer Projektionsfläche beobachtet. (Dieses Stück Science-Fiction ist in Analogie zum Fluoroskop konzipiert, mit dessen Hilfe eine Person beispielsweise ihre eigene Herztätigkeit beobachten kann.) Entlang der vorgeschlagenen realistischen Interpretation würde er die auf dem Bildschirm sichtbaren wechselnden Muster als Beweis für seine eigenen Gehirnprozesse betrachten. Unter der Annahme des empirischen Kerns von Parallelität oder Isomorphismus würde er feststellen, dass ein ‚Crescendo‘ in seiner Wut – oder in der Melodie, die er gehört hat – einem ‚Crescendo‘ in den „korrelierten“ kortikalen Prozessen entsprechen würde. (Ähnlich verhält es sich mit ‚accelerandos‘, ‚ritardandos‘ usw. Adrians und McCullochs Experimente scheinen eine überraschend einfache Isomorphie der Formen geometrischer Figuren im Gesichtsfeld mit den Mustern erhöhter elektrischer Potentiale im Okzipitallappen des Kortex gezeigt zu haben.) Gemäß der Identitätsthese sind die direkt erfahrenen Qualia und Konfigurationen die Realitäten an sich, die durch die neurophysiologischen Beschreibungen bezeichnet werden. Diese Identifizierung der Denotata ist daher empirisch, und der direkteste Beweis, der denkbar erreichbar ist, wäre der der autocerebroskopisch beobachtbaren Regelmäßigkeiten."
[Übersetzt von Google Translate]

(Feigl, Herbert. The 'Mental' and the 'Physical': The Essay and a Postscript. Minneapolis, MN: University of Minnesota Press, 1967. pp. 89-90)



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Jörn Budesheim
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So 6. Okt 2024, 10:02

Wie Feigl in seinem Gedankenexperiment beschreibt, könnte man sich einen „vollständigen Autozerebroskopiker“ vorstellen, der „introspektiv“ seine Gefühle beobachtet und gleichzeitig seine neuronalen Aktivitäten auf einem Bildschirm sieht. Doch das zeigt nicht, was Feigl zu zeigen versucht: nämlich dass die „Bewegungen“ im Gehirn tatsächlich identisch mit den „Bewegungen“ des Bewusstseins sind.

Nur weil wir Korrelationen zwischen Gehirnaktivität und bewussten Erfahrungen feststellen können, folgt daraus nicht, dass beide identisch sind. Es gibt alternative Erklärungen. Hier ist ein Beispiel, sicherlich gibt es mehrere: Man könnte beispielsweise das Gehirn als eine Art "Empfangsgerät" des Bewusstseins betrachten. Auch in diesem Fall würde man die gleichen Korrelationen erkennen, die man vielleicht als Formen von Resonanzen beschreiben kann. Das kann man sich ähnlich wie bei einer Radiosendung vorstellen: Man findet die Sendung nicht im Radio, auch wenn man dort entsprechende Muster finden würde.

Die Tatsache, dass es alternative Erklärungen gibt, zeigt, dass das Argument lückenhaft ist.




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So 6. Okt 2024, 13:24

RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Ich weiß auch nicht, was das heißt: "mein" Bewusstsein. "Mein" Auto verstehe ich, aber "mein" Bewusstsein verstehe ich nicht - denn ich weiß nicht, wie ich 'mich' in eine Gegenstellung zum Bewusstsein bringen soll. Ich 'habe' ja nicht 'mein' Bewusstsein, so wie ich mein Auto habe. Ich 'bin' natürlich nicht Bewusstsein; aber ich kann es auch nicht so von mir unterscheiden wie einen beliebigen Gegenstand.
"Dein Bewusstsein" ist genauso wie "dein Armheben" eine Tätigkeit - es ist "deine Aktivität", die du als Objekt verwalten kannst.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Und ich verstehe daher auch nicht, was ein "Inhalt" des Bewusstsein (oder eine "innere Wahrnehmung" eines solchen Inhalts) sein soll. Meine Tasche hat einen Inhalt, aber die Idee, dass Bewusstsein eine Art Tasche, also eine Form oder Behälter mit Inhalten ist, ist mir unverständlich.
Die Zusammenhänge, die du bei deiner Aktivität beachtest, sind "innen", diejenigen die du nicht beachtest, sind "aussen".

Wenn du auf "deine beachteten Zusammenhänge" als Gesamtheit reagierst (bzw. der Überzeugung bist, dies zu tun) kannst du diese Gesamtheit als "Inhalt" bezeichnen.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Was Du mit der Formulierung "Einen Bewusstseinsvorgang äußerlich als Nervenvorgang zu beobachten" meinst, verstehe ich ebenfalls nicht.
Das ist unglücklich formuliert und es suggeriert eine 1:1 Beziehung, eine Identität, die nicht vorliegt.

Die Nervenaktivität eines bewussten Menschen ist nicht "sein Bewusstseinsvorgang", sondern über die fortgesetzte Nervenaktivität führt der Mensch seine Überzeugung von einem Bewusstseinsvorgang" durch.

„Bewusstseinsvorgang“ ist quasi etwas für den Menschen Unbekanntes, wovon der Mensch ausgeht, ohne dass es das ist, was tatsächlich vor sich geht.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Ein Nervenvorgang ist doch kein Bewusstseinsvorgang 'von außen betrachtet'. Wieso sollte Bewusstsein 'innen', nervöses Geschehen 'außen' sein? Was heißt das denn überhaupt: innen und außen? Ich verstehe gar nicht, wieso man in Bezug auf Bewusstsein auf diese Bildersprache kommt.
Das liegt schlicht daran, dass der Mensch "Körper" ist und nichts anderes zur Verfügung hat als Körperumstände bzw. "Körper in einer Umwelt"-Umstände.
Da wird dann halt "innen" und "aussen" raffiniert in Bezug auf "in der Reaktion" und "ausserhalb der Reaktion" eingesetzt.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Ich persönlich würde sagen: Das Nachdenken über Bewusstsein, in welcher Form auch immer, ist selbst Bewusstsein.
Ja, "Bewusstsein" ist eine fortgesetzt plausible Reaktion auf das, was gerade stattfindet.
Wichtig für Subjektivität "im" Bewusstsein ist, dass "Körper in Umwelt" als gerade stattfindend beachtet wird - ohne "das" gibt es keine Subjektivität, keine Intentionalität.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Anders als Du bekomme ich also, wie schon gesagt, das Bewusstsein nicht in eine Objektstellung.
In deiner Planung, also "in deinem Denken" schon, nicht aber als gegenüberliegendes Etwas, das du interaktiv untersuchen kannst.
Der entscheidende Punkt hierbei ist somit die Interaktivität.

"Interaktivität" wiederum führt zum Begriff "Existenz".
Da es bei Bewusstsein nicht um Interaktivität geht, hat sich der Begriff "Existenz" eigentlich erledigt - das wissen nur noch nicht alle...




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So 6. Okt 2024, 17:26

@RoloTomasi: fachlich gesehen stellt dein Beitrag einen Hilferuf dar.




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Consul
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Mo 7. Okt 2024, 02:22

RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Consul hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 00:04
Ich kann mein Bewusstsein sehr wohl in dem Sinn "vergegenständlichen", dass ich es (seine Inhalte) zum Gegenstand meiner inneren Wahrnehmung/Beobachtung machen kann.
Da gratuliere ich Dir: Ich kann das nicht.
Ich weiß auch nicht, was das heißt: "mein" Bewusstsein. "Mein" Auto verstehe ich, aber "mein" Bewusstsein verstehe ich nicht - denn ich weiß nicht, wie ich 'mich' in eine Gegenstellung zum Bewusstsein bringen soll. Ich 'habe' ja nicht 'mein' Bewusstsein, so wie ich mein Auto habe. Ich 'bin' natürlich nicht Bewusstsein; aber ich kann es auch nicht so von mir unterscheiden wie einen beliebigen Gegenstand.
Wenn vom Gegenstand der Wahrnehmung die Rede ist, dann muss jener kein Gegenstand im engeren ontologischen Sinn des Wortes sein—d.i. eine Substanz oder ein substanzielles Gebilde, ein Ding oder ein Stoff, oder ein Körper (wie ein Auto); denn Nichtsubstanzen wie Eigenschaften, Zustände, Ereignisse und Vorgänge können ebenfalls Wahrnehmungsgegenstände sein—inbesondere solche deines Körpers oder in deinem Körper.
Dass du deine Eigenschaften und Zustände in einem anderen Sinn hast oder besitzt als dein Auto, versteht sich von selbst.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Und ich verstehe daher auch nicht, was ein "Inhalt" des Bewusstsein (oder eine "innere Wahrnehmung" eines solchen Inhalts) sein soll. Meine Tasche hat einen Inhalt, aber die Idee, dass Bewusstsein eine Art Tasche, also eine Form oder Behälter mit Inhalten ist, ist mir unverständlich.
Die Gesamtheit deiner (gegenwärtigen) subjektiven Erfahrungen (Empfindungen, Gefühle, Stimmungen, Gedanken oder Vorstellungen) bildet den (gegenwärtigen) Inhalt deines Bewusstseins. Das Wort "Inhalt" wird hier metaphorisch gebraucht, denn es geht hier freilich nicht um ein wörtliches räumliches Inhaltsverhältnis wie bei Geld in einem Geldbeutel.

Die innere Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion.
Es gibt eine zweite Art innerer Wahrnehmung, die Interozeption genannt wird. Introspektion ist die innere Wahrnehmung psychologischer Vorkommnisse in dir, d.i. innere Geistes-/Seelenwahrnehmung, wohingegen Interozeption die innere Wahrnehmung physiologischer Vorkommnisse in dir ist, d.i. innere Körper-/Leibeswahrnehmung.

Aus dualistischer Sicht besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Introspektion und Interozeption; aber aus reduktiv-materialistischer Sicht ist Introspektion eine Art von Interozeption, weil es ihr nach keine seelischen Substanzen gibt, und alle psychologischen Phänomene in körperlichen Substanzen neurophysiologische Phänomene sind.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Was Du mit der Formulierung "Einen Bewusstseinsvorgang äußerlich als Nervenvorgang zu beobachten" meinst, verstehe ich ebenfalls nicht. Ein Nervenvorgang ist doch kein Bewusstseinsvorgang 'von außen betrachtet'. Wieso sollte Bewusstsein 'innen', nervöses Geschehen 'außen' sein? Was heißt das denn überhaupt: innen und außen? Ich verstehe gar nicht, wieso man in Bezug auf Bewusstsein auf diese Bildersprache kommt.
Es geht hier um unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven: introspektive/interozeptive Selbstwahrnehmung vs. extrospektive Fremd- oder Selbstwahrnehmung (mittels nach außen gerichteter Sinne wie dem Sehen)

Wenn der psychologische Materialismus (materialistische psychophysische Monismus) wahr ist, und alle Bewusstseinsvorgänge an sich Nervenvorgänge sind, dann sind sie nicht nur der introspektiven Selbstwahrnehmung, sondern auch der extrospektiven Fremd- oder Selbstwahrnehmung zugänglich.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ich deine subjektiven Erlebnisse durch äußere Beobachtung der damit identischen Nervenvorgänge in deinem Gehirn selbst miterleben könnte.
RoloTomasi hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 10:20
Worin wir uns aber, glaube ich, einig sind, ist: Man kann über Bewusstsein nachdenken. Ich persönlich würde sagen: Das Nachdenken über Bewusstsein, in welcher Form auch immer, ist selbst Bewusstsein. Anders als Du bekomme ich also, wie schon gesagt, das Bewusstsein nicht in eine Objektstellung. Daher nochmals Glückwunsch dazu, dass es Dir gelingt. Ich kenne sonst niemanden, der dermaßen souverän auf das Bewusstsein schauen kann. Naja, ich kenne allerdings auch nicht so viele Leute ;-)
Wahrnehmen ist immer Wahrnehmen von etwas, und Nachdenken ist immer Nachdenken über etwas; und das betreffende Etwas ist schlicht der Gegenstand des Wahrnehmens oder Nachdenkens. Wenn ich Inhalte meines Bewusstseins (subjektive Zustände, Erlebnisse oder Eindrücke) innerlich wahrnehme oder darüber nachdenke, dann sind diese "in Objektstellung". Dein phänomenales Bewusstsein ist dann Gegenstand deines transitiven Bewusstseins (als Bewusstsein von etwas); und Gegenstand bedeutet hier intentionaler Gegenstand—als dasjenige Etwas, das wahrgenommen oder worüber nachgedacht wird.



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Jörn Budesheim
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Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
Gegenstand
Den Begriff verstehe ich vage ähnlich wie Consul. Kurz: Gegenstand ist alles, worüber etwas wahr sein kann, also nicht nur dreidimensionale Objekte. In dieser Hinsicht kann man auch Bewusstsein zum Gegenstand machen, ohne damit zu sagen, dass es ein Ding oder was auch immer ist. Immerhin sprechen wir ja gerade über das Bewusstsein, es ist damit Gegenstand unseres Nachdenkens.
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
Das Wort "Inhalt" wird hier metaphorisch gebraucht ...
Ja, sehe ich auch so. Manchmal sagt man stattdessen "Gehalt", aber "Inhalt" ist für mich zunächst unproblematisch. Das Problem mit Inhalt ist, dass es sich zu nahtlos in die "Innen/Außen" Begrifflichkeit einfügt, die ich ebenso wie Rolo Tomasi fragwürdig finde.
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
innere Wahrnehmung
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
intentionaler Gegenstand
Das ist für mich aber ungereimt. Wahrnehmung ist grundsätzlich nichts Inneres, egal, worauf sich richtet, sonst könnte sie keine "Richtung", also keinen "intentionalen Gegenstand" haben. Was ist gewonnen, wenn man sagt, "die innere Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion" statt "die Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion"?




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Mo 7. Okt 2024, 12:34

RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 10:10
Dass das Bewusstsein intentionale Gegenstände 'hat', ist das eine.
...
Bewusstsein als das Medium des Erscheinens von Gegenständen ist selbst nicht Gegenstand oder etwas Gegenständlichliches.
...
Darin steckt auch ein logisches Problem: ... Das Bewusstsein wäre dann Gegenstand, Inhalt oder Thema des Bewusstseins.
Fachlich wieder nichts anderes, als ein Hilferuf.

"Bewusstsein als das Medium des Erscheinens von Gegenständen" ist eine völlige Bankroterklärung.
Ein schwarzes Loch, aus dem kein Lichtstrahl mehr zu erwarten ist, aber immerhin ist damit auch klar, auf was du abzielst.

Bei dem Zeugs, das du dir ausmalst, steht im Grunde sogar einem Abdriften ins Religiöse nichts mehr im Wege.
Keine Ahnung, ob du das schon durchgeführt hast (vielleicht ja, vielleicht nein, vielleicht noch nicht - egal), du zeigst jedenfalls das dort typische Reaktionsspektrum.




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Mo 7. Okt 2024, 14:05

RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 10:10
Ich kann nicht irgendwo in der Welt auf das Objekt 'Bewusstsein' stoßen - was ich in der Welt antreffe, sind ja immer die Gegenstände des Bewusstseins.
Ich denke nicht, dass das stimmt. Hier drei Beispiele:
  1. "Bei der Meditation kann der Zustand des sogenannten reinen Bewusstseins erlebt werden, in dem das Bewusstsein als solches wahrgenommen wird." Quelle
  2. Ich stoße nahezu überall in der Welt auf ‚Bewusstsein‘. Um mich herum wimmelt es doch davon: Mitmenschen, Krähen, Tauben, Hunde, Katzen ...
  3. Hier ein Beispiel aus der Literatur: Wir essen genüsslich ein Fastfoodgericht und schämen uns fast etwas dafür, dass es so gut mundet, sollten wir nicht lieber was Gesundes aus der Region essen? In diesem Fall haben wir unser eigenes Bewusstsein zum Gegenstand unseres Bewusstseins gemacht, ein Fall von Selbstbewusstsein. Auch in diesem Fall sind wir "in der Welt auf das Objekt 'Bewusstsein'" gestoßen.




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Mo 7. Okt 2024, 15:01

Ich befürchte, das verstehe ich nicht :-( Bezieht sich das irgendwie auf die drei Beispiele?




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Mo 7. Okt 2024, 15:26

RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 14:57
Bewusstsein, dass objektiv in der Welt vorkommt
Die beiden Sätze "Bewusstsein, das objektiv in der Welt vorkommt." und "Bewusstsein, das in der Welt vorkommt." sind für mich synonym. Was vorkommt, kommt objektiv vor. Vielleicht gibt es hier ein Problem für dich? Searle unterscheidet zwei Formen von "Subjektivität": epistemische und ontologische. "Epistemisch subjektiv" ist der Geschmack von Knoblauch, manche mögen ihn, andere nicht. Das Bewusstsein hingegen ist "ontologisch subjektiv". In meiner Diktion bedeutet das einfach, dass es Bewusstsein gibt. Was es gibt, gibt es objektiv. Unsere Subjektivität existiert objektiv. Bewusstsein, kommt objektiv in der Welt vor.




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Mo 7. Okt 2024, 16:35

RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 16:19
Wenn Du sagt, "unsere Subjektivität existiert objektiv", dann könntest Du das Wort 'objektiv' doch auch weglassen, oder?
Richtig! Ich kann einfach sagen, Bewusstsein gibt es. Das gehört zu den offensichtlichsten Tatsachen überhaupt.
RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 16:19
Und Du würdest dann eben nicht sagen: Bewusstsein kommt für das Bewusstsein - für Deines oder meines - in der Welt vor, weshalb diese Welt auch überhaupt eine 'Welt' ist.
Genau, das würde ich vermutlich nicht sagen, das müsste ich aber zuvor genauer verstehen :-)

(Die Welt ist in meiner Antimetaphysik nicht "eine Welt", denn die Welt gibt es aus meiner Sicht nicht, wie Du Dich vielleicht erinnerst. Dass jedes Bewusstsein eine Art Syntheseleistung erbringt, ein "einheitliches Bewusstseinsfeld" oder wie immer man es nennen will, würde ich akzeptieren, wenn das mit "Welt" gemeint ist).

Ich bin Realist. Wir sind uns der Dinge selbst bewusst. Ich sehe vor mir die Tasse selbst (und nicht etwa eine innere Repräsentation). Deswegen fällt es mir schwer, diesen Teil Deines Satzes zu akzeptieren: "... weshalb diese Welt auch überhaupt eine 'Welt' ist." Nicht nur, weil es keine Welt gibt, sondern auch weil es ja so vieles gibt, was es auch gegeben hätte, wenn wir nie existiert hätten.




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Mo 7. Okt 2024, 18:22

Dann haben dann haben wir die entgegengesetzte Entwicklung genommen, ich war früher ein radikaler Konstruktivist.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 08:19
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
innere Wahrnehmung
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
intentionaler Gegenstand
Das ist für mich aber ungereimt. Wahrnehmung ist grundsätzlich nichts Inneres, egal, worauf sich richtet, sonst könnte sie keine "Richtung", also keinen "intentionalen Gegenstand" haben. Was ist gewonnen, wenn man sagt, "die innere Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion" statt "die Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion"?
Wenn der reduktive (äquative) Materialismus wahr ist, dann kann es auch eine äußere, extrospektive Wahrnehmung von Bewusstseinsvorgängen (qua Nervenvorgängen) geben. Die Unterscheidung von äußerer und innerer Wahrnehmung beruht jedenfalls auf der Unterscheidung äußerer und innerer Sinne. Entsprechend kann ich meinen Körper sowohl mittels äußerer Sinne (Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken) als auch mittels innerer Sinne wahrnehmen.

"Der innere Sinn, vermittelst dessen das Gemüth sich selbst oder seinen inneren Zustand anschauet…"
—Kant (Kritik der reinen Vernunft, B37)

Kant spricht hier von Introspektion. Die Rede von einem inneren Sinn oder inneren Sinnen kann zumindest in Bezug auf interozeptive Körperwahrnehmungen wörtlich genommen werden; aber es ist fraglich, ob man dies auch in Bezug auf introspektive Gemütswahrnehmungen tun kann. Denn introspektive Akte erfassen ihren Gegenstand im Gegensatz zu interozeptiven Akten direkt, unmittelbar, d.h. ohne Sinnesempfindungen oder -eindrücke, die als Erscheinungen des Wahrnehmungsgegenstands fungieren. Wenn ich eine Empfindung introspiziere, dann erlebe ich keine zweite, zusätzliche Empfindung als Erscheinung der introspizierten Empfindung.

Interozeption ist sinnliche innere Wahrnehmung des eigenen Körpers, wohingegen Introspektion unsinnliche innere Wahrnehmung des eigenen Geistes zu sein scheint, weil es keine besonderen Sinnesorgane oder Sinnesrezeptoren der Introspektion zu geben scheint. Aber wie ist sie dann überhaupt möglich?
Wie gesagt, aus reduktiv-materialistischer Sicht ist Introspektion eine Art von Interozeption, und der reduktive Materialist David Armstrong schreibt:
"If we make the materialist identification of mental states with material states of the brain, we can say that introspection is a self-scanning process in the brain."
———
"Wenn wir die materialistische Identifikation von mentalen Zuständen mit materiellen Zuständen des Gehirns vornehmen, können wir sagen, dass die Introspektion ein Selbstabtastungsvorgang im Gehirn ist." [© meine Übers.]

(Armstrong, D. M. A Materialist Theory of the Mind. London: Routledge & Kegan Paul, 1968. pp. 323-4)
Aus reduktiv-materialistischer Sicht muss es bestimmte neurophysiologische Mechanismen der Introspektion geben, so wie es auch bestimmte neurophysiologische Mechanismen der Interozeption gibt. Die dualistische Vorstellung einer übersinnlichen inneren Wahrnehmung (von Zuständen) des eigenen Geistes oder der eigenen Seele ist aus jener Sicht inakzeptabel.
"Bodily perception, indeed, serves as an excellent model with which to grasp the nature of introspection, for it has a further important resemblance to 'inner sense'. In introspection we are aware only of states of our own mind, not of other people's minds. In bodily perception we are aware only of states of our own body, and not of other people's bodies. The biological usefulness to the organism of a special knowledge of its own bodily and mental state is obvious in both cases."
———
"Die Körperwahrnehmung ist in der Tat ein ausgezeichnetes Modell, um das Wesen der Introspektion zu verstehen, denn sie hat eine weitere wichtige Ähnlichkeit mit dem "inneren Sinn". Bei der Introspektion sind wir uns nur der Zustände unseres eigenen Geistes bewusst, nicht des Geistes anderer Menschen. Bei der Körperwahrnehmung sind wir uns nur der Zustände unseres eigenen Körpers bewusst, nicht aber der Körper anderer Menschen. Der biologische Nutzen einer besonderen Kenntnis des eigenen körperlichen und geistigen Zustands für den Organismus ist in beiden Fällen offensichtlich." [Übersetzt mit DeepL.com]

(Armstrong, D. M. A Materialist Theory of the Mind. London: Routledge & Kegan Paul, 1968. p. 96)

"The importance of proprioception and the other modes of bodily perception for us here is that they give us an unmysterious model for introspection. Introspection is a system, one that we still hardly understand in physiological terms, by which we monitor our own mind. In bodily perception, the mind monitors its own body. In introspection, the mind monitors itself."
———
"Die Bedeutung der Propriozeption und der anderen Arten der Körperwahrnehmung für uns liegt darin, dass sie uns ein unmysteriöses Modell für die Introspektion liefern. Introspektion ist ein System, das wir physiologisch noch kaum verstehen, mit dem wir unseren eigenen Geist überwachen. Bei der Körperwahrnehmung überwacht der Geist seinen eigenen Körper. Bei der Introspektion überwacht der Geist sich selbst." [Übersetzt mit DeepL.com]

(Armstrong, D. M. The Mind-Body Problem: An Opinionated Introduction. Boulder, CO: Westview, 1999. p. 117)
"At the sensory level we continuously receive a flow of information about our own body through external and internal perceptions. Not only can we see our body and touch it, but we also have several inner receptors that convey information about the position of our limbs, the balance of our body, and its physiological condition. Unlike external perception, the inner sensory flow never stops and cannot be voluntarily controlled. Thus, an important amount of information is constantly available whether we want it or not, whether we pay attention to it or not. In that respect, our body qualifies as the object that we know best."
———
"Auf der sensorischen Ebene erhalten wir durch äußere und innere Wahrnehmungen kontinuierlich einen Informationsfluss über unseren eigenen Körper. Wir können unseren Körper nicht nur sehen und berühren, sondern wir verfügen auch über mehrere innere Rezeptoren, die uns Informationen über die Position unserer Gliedmaßen, das Gleichgewicht unseres Körpers und seinen physiologischen Zustand übermitteln. Im Gegensatz zur äußeren Wahrnehmung hört der innere Sinnesfluss nie auf und kann nicht willentlich gesteuert werden. Somit steht uns ständig eine wichtige Menge an Informationen zur Verfügung, ob wir sie wollen oder nicht, ob wir ihnen Aufmerksamkeit schenken oder nicht. In dieser Hinsicht ist unser Körper das Objekt, das wir am besten kennen." [Übersetzt von Google Translate]

Bodily Awareness: https://plato.stanford.edu/entries/bodily-awareness/



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Di 8. Okt 2024, 08:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 08:19
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
innere Wahrnehmung
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 02:22
intentionaler Gegenstand
Das ist für mich aber ungereimt. Wahrnehmung ist grundsätzlich nichts Inneres, egal, worauf sich richtet, sonst könnte sie keine "Richtung", also keinen "intentionalen Gegenstand" haben. Was ist gewonnen, wenn man sagt, "die innere Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion" statt "die Wahrnehmung eigener Bewusstseinsinhalte nennen Psychologen Introspektion"?
Ich will noch mal versuchen, meine Kritik zu erläutern. Das, was man wahrnimmt, der "intentionale Gegenstand" ist Teil der Wahrnehmung selbst, er wird von ihr umfasst, denn wir nehmen immer etwas wahr. Wahrnehmung ist daher niemals rein "innerlich", denn sie hat immer eine "Richtung", also einen "intentionalen Gegenstand". Wenn man hier von Intentionalität spricht, spricht man – nach meinem Verständnis – von einer "logischen Struktur" der Wahrnehmung, die natürlich auch auf gewisse Weise "kausal" realisiert wird. Das ist mein Punkt: Etwas, was eine "Richtung" oder "Gerichtetheit" hat, kann nicht an dem Ort sein, von wo die "Richtung" vermutlich ihren Ausgang nimmt. Insbesondere John Searle hat (nach meiner Erinnerung) betont, dass wir zwischen der logischen Struktur eines mentalen Zustands und seiner kausalen Realisierung unterscheiden müssen. Die Vermeidung der Verwechslung von kausaler und intentionaler Ebene ist der Hintergrund meiner Kritik.




Körper
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Di 8. Okt 2024, 11:18

Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 22:13
Aus reduktiv-materialistischer Sicht muss es bestimmte neurophysiologische Mechanismen der Introspektion geben, so wie es auch bestimmte neurophysiologische Mechanismen der Interozeption gibt.
Ja klar.
Hier gilt eher: bei der Analyse sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Durch die grobmotorisch feststellbare Spezialisierung der Rezeptorzellen überlagen sie sozusagen das Nachdenken über die Fähigkeiten der anderen Zellen.

Über die Zell-Auffälligkeiten ist man in der Analyse verleitet, die "Mechanismen der Introspektion" als den unbekannten "kleinen Bruder" der "Mechanismen der Introzeption" anzusehen, aber die Wirklichkeit ist dramatisch anders: die "Mechanismen der Introspektion" sind das, wodurch in einem Nervensystem überhaupt erst Funktion zustande kommt und die "Mechanismen der Introzeption" sind zusätzlich (aber kein neues Prinzip!), so dass der Akteur mit einer Umwelt interagieren kann.




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Jörn Budesheim
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Di 8. Okt 2024, 14:00

Dazu habe ich eine Frage: „Man tritt aus der Wohnung vor die Tür und spürt die Frische.“ Warum sollte die Frische nicht einfach als das intentionale Objekt gelten? Warum spricht die Tatsache, dass man die Frische unmittelbar und ganzheitlich spürt, dagegen, sie als intentionalen Gegenstand des Spürens zu verstehen? Gegenstände können doch durchaus vage und diffus sein.

Ich stimme zu, dass wir uns meistens (wenn nicht immer) in Situationen befinden oder durch Szenen bewegen. Doch auch hier sehe ich keinen Widerspruch zur Vorstellung, dass unser Bewusstsein auf etwas gerichtet ist. Spontan würde ich sogar sagen, dass die Bedeutsamkeit der Situationen oder Szenen einen wesentlichen Teil der intentionalen Gegenstände ausmacht. Aber selbst wenn wir wütend sind, richtet sich diese Wut auf etwas oder jemanden – sei es eine Person, ein Umstand oder wir selbst. Auch wenn wir außer uns sind vor Wut, bleibt ein Bezug bestehen: Wir sind wütend auf jemanden oder über etwas. Wenn wir hingegen vollkommen grundlos wütend wären, ohne Objekt, ohne Anlass, also ohne intentionalen Gegenstand, würden wir uns nicht zu Recht Sorgen um unseren Zustand machen?

Ich verstehe, dass du dich gegen die Vorstellung eines unbeteiligten Beobachters wendest, der klar umrissene Dinge im Blick hat. Das akzeptiere ich gerne. Aber auch derjenige, der in die Situation involviert ist und es möglicherweise mit vagen, vielleicht sogar im Verschwinden begriffenen, wolkenartigen Gebilden zu tun hat, wäre auf diese vagen Dinge gerichtet, finde ich.

Noch eine weitere Frage: All deine Beschreibungen in dem Text sind doch 1A-Realismus, auch wenn man sie nicht als Beispiele von Intentionalität verstehen will. Oder?




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Di 8. Okt 2024, 15:04

RoloTomasi hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 15:02
Realismus ist das alles nicht
Für mich ist das alles 1A Realismus, aber das nur am Rande, es ist ein anderes Thema.




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Consul
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Mi 9. Okt 2024, 01:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 14:00
Dazu habe ich eine Frage: „Man tritt aus der Wohnung vor die Tür und spürt die Frische.“ Warum sollte die Frische nicht einfach als das intentionale Objekt gelten? Warum spricht die Tatsache, dass man die Frische unmittelbar und ganzheitlich spürt, dagegen, sie als intentionalen Gegenstand des Spürens zu verstehen? Gegenstände können doch durchaus vage und diffus sein.
Man kann auch sagen: Man spürt nicht Frische, sondern Frisches, d.i. etwas Frisches, nämlich frische Luft.



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