Der "Weltknoten"

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
Burkart
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So 17. Mär 2024, 23:51

AufDerSonne hat geschrieben :
So 17. Mär 2024, 23:30
Burkart hat geschrieben :
So 17. Mär 2024, 22:48
Also geh einfach von "Materie existiert" aus, es ist halt dein philosophischer Standpunkt :)
Genau. Ich denke, so kann man es stehen lassen. Plus. Dass es ohne Materie kein Bewusstsein geben könnte. So wie es bei einem Computer ohne Hardware keine Software gibt. Wenigstens würde die Software auf Papier keinen Sinn machen. :D
Außer es gibt kleine Wesen (Nanobots oder so?), die die Software auf dem Papier interpretieren und zur Ausführung bringen könnten :D
Ansonsten: Alles klar!



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 08:52

Eigentlich spielt es keine Rolle, ob jetzt Materie oder Bewusstsein sicherer ist. Das eine oder das andere, was hat man davon? Die Probleme bleiben die gleichen.



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Jörn Budesheim
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Mo 18. Mär 2024, 09:12

Ich möchte noch ein Wort zu der Behauptung sagen, dass ich in diesem Thread die Position von Descartes vertrete. Das stimmt nicht. Weder will ich den Skeptiker widerlegen, noch ein sicheres Fundament der Erkenntnis aufzeigen, noch habe ich einen Gottesbeweis vorgelegt, noch ein Wahrheitskriterium, noch vertrete ich einen Dualismus und was weiß ich noch ...

Ich sage nur, dass wir nicht irren können, dass wir bewusste Erlebnisse haben.




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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 09:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 09:12
Ich sage nur, dass wir nicht irren können, dass wir bewusste Erlebnisse haben.
Da stimme ich zu. Wenn wir keine (bewussten) Erlebnisse hätten, würden wir ja irgendwie gar nicht leben. Das Bewusstsein ist uns schon sehr nahe. Aber es ist nicht alles. Denken, fühlen, Schlüsse ziehen gehören auch zum Menschen. Was mir nicht ganz klar ist, wieso man das Bewusstsein auf so ein hohes Ross setzen muss. So speziell finde ich es nun auch wieder nicht.



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Jörn Budesheim
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Mo 18. Mär 2024, 09:22

Wenn du über irgendetwas nachdenkst oder Schlüsse ziehst, dann bist du dir dessen in der Regel bewusst.




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Jörn Budesheim
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AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 09:17
Aber es ist nicht alles.
Ich sehe nicht, dass irgendjemand in diesem Faden so etwas behauptet hätte.




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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 09:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 09:22
Wenn du über irgendetwas nachdenkst oder Schlüsse ziehst, dann bist du dir dessen in der Regel bewusst.
Mehr oder weniger. Kommt doch auch darauf an, wie stark ich mich auf den Gedanken konzentriere. Ist Bewusstsein nicht immer mehr oder weniger? Also mir sind manche Sachen sehr bewusst, andere plätschern mehr so vor dem geistigen Film vorbei.



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Jörn Budesheim
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Wofür oder wogegen willst du damit (im aktuellen Zusammenhang) argumentieren?




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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 09:53

Angenommen beides existiert, Bewusstsein und Materie. Was war dann eigentlich das Problem?



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Nauplios
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Mo 18. Mär 2024, 10:06

Burkart hat geschrieben :
So 17. Mär 2024, 18:56
Nauplios hat geschrieben :
So 17. Mär 2024, 18:29
"Da es im ganzen Weltall aber weder eine intelligente Kraft noch eine ewige Kraft gibt […] so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewußten intelligenten Geist annehmen."
[...]
Vielleicht weist das Einleuchtende manchmal einen Mangel an Verlässlichkeit auf. :(
Wenn du dich mit letzterem auf das Zitat(teil) beziehst, stimme ich dem Mangel an Verlässlichkeit zu, ich sehe keine zwingenden Grund für den Geist. Und wenn es ihn gäbe, was soll er sein, woher soll er kommen? Die Frage des Allerersten lässt sich so jedenfalls nicht zwingend beantworten... vielleicht bestände er ja auch wieder aus etwas wie Materie, wer weiß.
Hallo Burkart :)

Der Satz "Vielleicht weist das Einleuchtende manchmal einen Mangel an Verlässlichkeit auf" am Ende meines Beitrags bezog sich auf den Anfangssatz "Daß die Materie grundlegender ist als Bewußtsein, leuchtet ein".

Ich meine damit folgendes: Unser Alltagsverständnis läßt manches als selbstverständlich erscheinen, was bei näherer Betrachtung diese Selbstverständlichkeit verliert. Der erste intuitive Blick bietet nicht immer die Gewissheit und Sicherheit, die für AufDerSonne ja einen besonderen Stellenwert haben. Seine These, daß die Materie grundlegender ist als Bewußtsein, hat auch mir zunächst mal eingeleuchtet, aber dann stellte sich schon nach kurzer Recherche heraus, daß sie in der Physik gar nicht so selbstverständlich ist wie man es hätte erwarten sollen. Was zunächst als "sicher" erscheint, wird damit unsicher.

Was die Aussagen von Max Planck betrifft, daß es "keine Materie an sich gibt" und stattdessen "der Geist der Urgrund aller Materie ist", kann ich das natürlich nicht beurteilen. Ich bin kein Physiker und kann weder für die eine These noch für die andere wissenschaftlich Belastbares beibringen. Aber darauf kommt es auch nicht an - genauer: mir kommt es darauf nicht an. AufDerSonne hingegen kommt es nur darauf an. Er strebt nach Sicherheit, auf die er aufbauen kann. Er führt ja auch gerne die Mathematik an oder auch mit Vorliebe Einstein.

Ich möchte eigentlich für eine andere Perspektive werben, nämlich die Historisierung des Verlangens nach Erkenntnisgewißheit. Wie kam es eigentlich dazu, daß heute nur dasjenige Wissen als Wissen Anerkennung findet, das in wissenschaftlichen Beweisen gründet? - Was wissenschaftlich nicht haltbar ist wird bereitwillig fallengelassen und genießt allenfalls noch den Status des Esoterischen. Unterhalb der Popper'schen Hypothese tun wir's nicht mehr. Vorläufig darf sie sein, aber an der Wirklichkeit scheitern muß sie können, um Platz zu machen für das noch Haltbarere, für das noch weniger Bezweifelbare. Episteme ist alles - Doxa ist nichts. Es zählt nur die methodisch gewonnene Erkenntnis. Bloße Meinungen und Vermutungen haben ihre Vertrauenswürdigkeit vollständig eingebüßt.

Geht man historisch der Frage nach, weiß man zwar immer noch nicht, ob es nun die Materie ist, die den Geist fundiert oder ob es sich umgekehrt verhält, aber es öffnet sich ein anderer Blick, der vielleicht eines bieten kann: Trost. - Denn wir sind trostbedürftige Wesen, die, metaphysisch haltlos und heimatlos geworden, einzig in der Wissenschaft festen Boden zu gewinnen glauben. Dieser Trost wird noch dadurch dringlicher, daß die Wissenschaft in der besagten Frage nach dem Verhältnis von Materie und Geist gar keine Gewißheit bietet! Dann kann man noch darauf hoffen, daß wenigstens zwei und zwei vier sind und ansonsten kann man nur die Haltlosigkeit der Philosophie beklagen. ;)

Für die Perspektive der Ideengeschichte kann sich offenbar niemand so recht interessieren; zu gering ist hier die Aussicht auf festen Grund. Und wenn man die Philosophie ohnehin als eine Geschichte beständiger Erkenntnisfortschritte anlegt und nur die sichere Erkenntnis überhaupt zählt, gibt es ja auch keinen Grund, sich mit Veraltetem und Überholtem zu beschäftigen. So bleibt man ungetröstet. ;)




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Nauplios
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Mo 18. Mär 2024, 10:25

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 08:52
Eigentlich spielt es keine Rolle, ob jetzt Materie oder Bewusstsein sicherer ist. Das eine oder das andere, was hat man davon? Die Probleme bleiben die gleichen.
Vor allem scheint mir auch die Philosophie die falsche Adressatin zu sein, wenn es um das "Lösen von Problemen" oder das Lösen von Rätseln o.ä. geht. Seien wir dankbar, daß die Philosophie überhaupt Probleme schafft! ;)

Ich bin mir nicht ganz sicher, ich glaube, es war Luhmann, der über die Psychotherapie sagte: Mit ihrer Hilfe werden Probleme nicht gelöst, sondern behandelt. Mir scheint, ähnlich verhält es sich in der Philosophie.




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AufDerSonne
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Mo 18. Mär 2024, 10:30

Nauplios hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 10:06
Was wissenschaftlich nicht haltbar ist wird bereitwillig fallengelassen und genießt allenfalls noch den Status des Esoterischen.
Ich sehe die Wissenschaftsgläubigkeit auch zunehmend kritisch. Einstein war Wissenschaftler durch und durch. Ich liebe seine Texte in den zwei Büchern, mein Weltbild, und, aus meinen späten Jahren. Er schreibt so herzig. Aber er schreibt aus der Sicht des Wissenschaftlers. Es ist wichtig, dass man das weiss, wenn man seine Texte liest. Ich glaube, alles ist so nicht haltbar, was er schreibt. Manches müsste man doch kritischer sehen. Ich werde bei Gelegenheit ein Beispiel bringen aus diesen zwei Büchern, wo ich zweifle.
Wenn ich dich richtig spüre, Nauplios, kritisierst du auch ein wenig eine übermässige Wissenschaftsgläubigkeit. Ich denke mit Recht. Kommt noch dazu, dass die meisten Menschen die Physik viel zu wenig verstehen, um wegen ihr von irgendetwas überzeugt sein zu können. Also da ist oft mehr Wunschdenken als Wissen dahinter.
Vielleicht braucht es einfach beides. Wissenschaft und Philosophie. Ich denke, es gibt Dinge, die die Wissenschaft (Physik) nicht erklären kann, aber die Philosophie kann es. Und die Philosophie kann durchaus Trost spenden in schwierigen Zeiten.



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Quk
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Mo 18. Mär 2024, 10:42

Nauplios hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 10:06
Wie kam es eigentlich dazu, daß heute nur dasjenige Wissen als Wissen Anerkennung findet, das in wissenschaftlichen Beweisen gründet? - Was wissenschaftlich nicht haltbar ist wird bereitwillig fallengelassen und genießt allenfalls noch den Status des Esoterischen. Unterhalb der Popper'schen Hypothese tun wir's nicht mehr. Vorläufig darf sie sein, aber an der Wirklichkeit scheitern muß sie können, um Platz zu machen für das noch Haltbarere, für das noch weniger Bezweifelbare. Episteme ist alles - Doxa ist nichts. Es zählt nur die methodisch gewonnene Erkenntnis. Bloße Meinungen und Vermutungen haben ihre Vertrauenswürdigkeit vollständig eingebüßt.
Ist das so? Ich sehe in unserer Kultur beides: Poppers Methode als auch grenzenlose Fantasie. Meine Entscheidung für das eine oder andere hängt vom speziellen Fall ab: Wenn ich beispielsweise gesundheitliche Probleme habe, folge ich den wissenschaftlich bemessenen Wahrscheinlichkeiten der Medizin anstatt prüfbefreiten Spekulationen. Wenn es nicht um dringliche Probleme geht, lasse ich meiner Fantasie freien Lauf, und das tun vermutlich einige Milliarden Menschen; aus dieser Fantasie entstehen Romane, Filme, Bilder, Musik, Parfüme, Kochexperimente, Tänze ... All das gibt es eindeutig. Das ist alles "nur" Spiel. Gesundes, weiterbringendes Spiel.




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Jörn Budesheim
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Mo 18. Mär 2024, 11:32

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 09:53
Angenommen beides existiert, Bewusstsein und Materie. Was war dann eigentlich das Problem?
Das Problem ist: Wie geht das zusammen? Oder auch: Wie lässt sich das Bewusstsein in unserem "naturwissenschaftlichen Weltbild" unterbringen, denn da passt es hinten und vorne nicht.




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Quk
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Mo 18. Mär 2024, 11:40

Apropos Popper: Auch er kann spekulieren. Ich habe mal ein Buch von ihm und Eccles gelesen, da ging es um das 3-Welten-Model, das die Physik und den Geist zusammenführen könnte. Ist das "Doxa"? Ist ein Model ein "Fürwahrhalten"? Was bedeutet denn eigentlich "Fürwahrhalten"? Klingt nach "Vermuten", aber auch nach "Basta". Woran denken Menschen, wenn sie "Doxa" sagen?




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Jörn Budesheim
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Mo 18. Mär 2024, 13:31

Nauplios hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 10:06
Wie kam es eigentlich dazu, daß heute nur dasjenige Wissen als Wissen Anerkennung findet, das in wissenschaftlichen Beweisen gründet?
Das "nur" würde ich streichen. Ich sehe aber auch, dass den Naturwissenschaften eine große Autorität zuerkannt wird und andere demgegenüber zu gering geschätzt werden: Kunst zum Beispiel und ... ach ja: die Philosophie.

Andererseits muss man bedenken, dass über 80 Prozent der Weltbevölkerung einer Religion angehören! Es gibt also auch andere Autoritäten neben den Naturwissenschaften. Bei uns in Deutschland ist das jedoch "etwas" anders: In einer Umfrage haben fast 80 Prozent der Jugendlichen gesagt, sie könnten auch ohne Glauben leben.

Friday for Future, so wichtig diese Bewegung ist bzw. war, ich bin selbst mit auf die Straße gegangen, stützt sich fast ausschließlich auf die Naturwissenschaften. Das finde ich bedenklich. Denn die Naturwissenschaften können uns nichts über Werte sagen. Und das ist vielleicht eines der Hauptprobleme, warum es mit dem Planeten bergab geht. Die Naturwissenschaften sind unverzichtbar, um Lösungen zu finden und Probleme zu erkennen, aber nicht nur sie...




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Nauplios
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Mo 18. Mär 2024, 14:25

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 10:30

Wenn ich dich richtig spüre, Nauplios, kritisierst du auch ein wenig eine übermässige Wissenschaftsgläubigkeit. (...)
Vielleicht braucht es einfach beides. Wissenschaft und Philosophie.
Mit Wissenschaft und Philosophie bin ich einverstanden, mit Philosophie als Wissenschaft wäre ich es nicht. Mein Vorschlag: Philosophie als Literatur und Literatur als Philosophie. :o

Max Planck sagt, es gibt keine Materie an sich. Er sagt das in einem Vortrag, den er 1944 in Florenz gehalten hat. Materie, das ist nur eine Schwingung von Atomteilchen, erzeugt von einer "ewigen Kraft", die er Geist nennt. - Bedeutet dieses Es-gibt-keine-Materie, daß es Florenz gar nicht gibt, daß es die Körper, die er mit "Meine Herren" anspricht, gar nicht gibt? Natürlich nicht. Plancks These, sein "es gibt", erfährt keine seinsphilosophische Begründung. Sie ist nicht Teilstück einer Lehre vom Sein, die sich mit den ontos (Sein) und dem logos (Vernunft, Sinn ...) beschäftigen würde. Es ist die These eines Physikers, der sich mit Atomteilchen und Schwingungen beschäftigt. Nimmt man Plancks These als eine ontologische, hat man unbemerkt einen Spurwechsel vorgenommen. Möglich wird dieser Spurwechsel dadurch, daß das "es-gibt" beides offen läßt, sowohl eine physische als auch eine metaphysische Weltbetrachtung. - Philosophie als Wissenschaft zeigt sich indifferent gegenüber diesem Unterschied. Damit ist nicht gesagt, daß man als Physiker nicht philosophieren kann, sondern daß das Philosophieren nicht einer Methodenlogik folgt, wie man sie aus der Physik und anderen Wissenschaften kennt.

Ähnlich verhält es sich beispielsweise mit dem Begriff des Lebens, unter dem ein Biologe anderes versteht als ein Philosoph (wie etwa Nietzsche).

Ich meine nicht, daß sich die Philosophie gegenüber den Erkenntnissen der Wissenschaften taub stellen sollte, geschweige denn, daß ich deren Legitimität infragestellen möchte. Es spricht nur einiges dafür, in der Philosophie eine Form, eine Kunst der Welterfahrung zu sehen, die sich in Wissenschaftlichkeit nicht rückstandslos auflösen läßt. Diese Form rückt sie näher an die Literatur als an die Wissenschaft.

p.s.: "Auf der anderen Seite bleibt mir der Nutzen verborgen, den ich dadurch [Durch das Lesen der philosophischen Klassiker] für heutige Überlegungen habe", schreibt Gedankenfeder im Nachbarthread zu den Klassikern. Ich erwähne das hier nicht, um es zu tadeln, sondern nur, um ein Beispiel für die Landnahme des Wissensideals durch die von Francis Bacon inaugurierte Neue Wissenschaft zu geben. Es geht nur um den historischen Prozeß.




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Jörn Budesheim
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Mo 18. Mär 2024, 14:58

Hochschule für Philosophie München, Edmund Husserl: "Philosophie als strenge Wissenschaft", Proseminar 2-stdg hat geschrieben : Bei dem Aufsatz "Philosophie als strenge Wissenschaft" handelt es sich um eine der bedeutendsten Schriften von Edmund Husserl, dem Vater der Phänomenologie. Erschienen im März 1911 in der Zeitschrift "Logos" bildet dieser Text die erste wichtigere Veröffentlichung des Philosophen seit seinen "Logischen Untersuchungen" (1900/1901). Bei dem Bestreben, die Philosophie durch ein klares und festes Prinzip als echte Wissenschaft zu begründen, schließt sich Husserl einer langen Tradition an, die in der Neuzeit mit Descartes beginnt und über Kant und die deutschen Idealisten in das 20. Jahrhundert einmündet. Er polemisiert darum gegen die skeptischen und empiristischen Tendenzen in der Philosophie seiner Zeit und kritisiert sowohl den Naturalismus als auch den Historizismus, die versuchen, die Philosophie auf experimentelle Psychologie bzw. auf eine bloße Weltanschauung zu reduzieren. Um eine strenge Wissenschaft zu werden, muss die Philosophie seines Erachtens vielmehr ihre eigene Methode und ein geeignetes Fundament bestimmen. Nach Husserl ist die eigene Methode der Philosophie die Phänomenologie, und das klare und feste Fundament, das der Philosophie zugrunde liegt, lässt sich im Bewusstsein finden. Nur als Phänomenologie des Bewusstseins kann demnach die Philosophie zu einer strengen Wissenschaft werden. "Philosophie als strenge Wissenschaft" stellt in diesem Sinn ein echtes Manifest der Phänomenologie und eine treffende Einleitung in das Denken Husserls dar ...
Dass ich das poste, heißt nicht, dass ich das unterschreibe!




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Mo 18. Mär 2024, 15:54

Nauplios hat geschrieben :
Mo 18. Mär 2024, 14:25
Ich meine nicht, daß sich die Philosophie gegenüber den Erkenntnissen der Wissenschaften taub stellen sollte, geschweige denn, daß ich deren Legitimität infragestellen möchte. Es spricht nur einiges dafür, in der Philosophie eine Form, eine Kunst der Welterfahrung zu sehen, die sich in Wissenschaftlichkeit nicht rückstandslos auflösen läßt. Diese Form rückt sie näher an die Literatur als an die Wissenschaft.
Was ich mich manchmal frage ist, ob der Wissenschaftler seine Arbeit ohne Rücksicht auf die Folgen betreiben darf. (Dürrenmatts, die Physiker, thematisiert das Problem). Könnte, falls das überhaupt ein Problem ist, die Philosophie nicht einen wichtigen Beitrag dazu liefern? Gibt es so eine Verantwortung für den Forscher/Physiker? Oder darf er machen, was er will (Elfenbeinturm der Wissenschaft)?



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Mo 18. Mär 2024, 16:01

Ich poste hier die 21 Punkte zu den "Physikern" von Dürrenmatt. Ich finde sie noch unterhaltsam. (Jörn, darf man das?)

Anhang
21 Punkte zu den Physikern
1. Ich gehe nicht von einer These, sondern von einer Geschichte aus.
2. Geht man von einer Geschichte aus, muß sie zu Ende gedacht werden.
3. Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.
4. Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.
5. Die Kunst des Dramatikers besteht darin, in einer Handlung den Zufall möglichst wirksam einzusetzen.
6. Träger einer dramatischen Handlung sind Menschen.
7. Der Zufall in einer dramatischen Handlung besteht darin, wann und wo wer zufällig wem begegnet.
8. Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.
9. Planmäßig vorgehende Menschen wollen ein bestimmtes Ziel erreichen. Der Zufall trifft sie dann am schlimmsten, wenn sie durch ihn das Gegenteil ihres Ziels erreichen: Das, was sie befürchteten, was sie zu vermeiden suchten (z.B. Oedipus).
10. Eine solche Geschichte ist zwar grotesk, aber nicht absurd (sinnwidrig).
11. Sie ist paradox.
12. Ebensowenig wie die Logiker können die Dramatiker das Paradoxe vermeiden.
13. Ebensowenig wie die Logiker können die Physiker das Paradoxe vermeiden.
14. Ein Drama über die Physiker muß paradox sein.
15. Es kann nicht den Inhalt der Physik zum Ziele haben, sondern nur ihre Auswirkung.
16. Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen.
17. Was alle angeht, können nur alle lösen.
18. Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muß scheitern.
19. Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit.
20. Wer dem Paradoxen gegenübersteht, setzt sich der Wirklichkeit aus.
21. Die Dramatik kann den Zuschauer überlisten, sich der Wirklichkeit auszusetzen, aber nicht zwingen, ihr standzuhalten oder sie gar zu überwältigen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Physiker



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