David Chalmers hat in einem Video, das ich vor einiger Zeit hier gepostet habe, spekulative, phantastische Ideen gefordert, denn anders könne man einer Lösung des "harten Problems" nicht näher kommen. Das Spektrum dieser Ideen reicht von materialistischem Reduktionismus über Dualismus, Panpsychismus, Pluralismus und so weiter. Daniel Dennett, einer der Hauptvertreter reduktionistischer Ideen, der das Bewusstsein für eine Art Illusion hielt, ist übrigens in den letzten Tagen verstorben.
Ich finde die Radiometapher in ihren verschiedenen Formen faszinierend, ich erinnere mich noch, wie aufgeregt ich war, als ich zum ersten Mal davon las, das gehört zu den Dingen, die Philosophie für mich so schön und inspirierend machen.
Ich finde das Aufkommen des Panpsychismus faszinierend, ich hätte in den letzten Jahrzehnten nie geglaubt, dass dies eine reale Option sein könnte. Für mich war das, ehrlich gesagt, fast mein ganzes Leben lang eine Position von Spinnern. Eine Sichtweise, die ich mittlerweile gründlich revidiert habe.
Diese faszinierenden Entwicklungen haben mich zurzeit zu einer Art Agnostizismus geführt. Allerdings finde ich nicht alles gleichermaßen plausibel, hier ist meine verkürzt dargestellte Plausibilitätsskala.
Am wenigsten plausibel und am wahrscheinlichsten falsch erscheint mir der Materialismus. Daran habe ich ehrlich gesagt, trotz Agnostizismus, keine größeren Zweifel. Philosophen wie der von Dir erwähnte Nagel haben ihren Teil dazu beigetragen. Julian Nida-Rümelin: “Intentionen, Qualia und Inferenzen, menschliches Handeln [...] und objektive logische Zusammenhänge sprechen gegen die Plausibilität des zeitgenössischen physikalischen Naturalismus.” Die möglichen Unterscheidung zwischen Naturalismus, Physikalismus und Materialismus lasse ich der Einfachheit halber beiseite.
Ich sehe eigentlich nicht, was überhaupt für den Materialismus sprechen könnte, die Nutzer hier im Forum, die ihn bevorzugen, bringen in der Regel keine Argumente dafür, er wird einfach als wahr vorausgesetzt. Die Idee, alles aus einem "Prinzip" zu erklären, hat zwar eine lange und ehrenwerte Tradition, die vermutlich auch bei "den" Griechen ihren Ursprung hat, aber letztlich ist es religiöse Metaphysik. Nichts in unserem Leben macht sie plausibel, im Gegenteil. Nichtsdestotrotz war das eine Position, die ich selbst über Jahrzehnte vertreten habe.
Bettina Fröhlich schreibt in Platon, 2023 über die Aktualität Platons: "Nachdem dualistische Positionen in der Moderne von materialistischen und naturalistischen Auffassungen abgelöst wurden, werden heute wieder Stimmen laut, die für einen Substanzdualismus plädieren". Auch Markus Gabriel hat in einem kürzlich gehaltenen Vortrag dargelegt, dass und warum der Dualismus eine Renaissance erlebt, ohne sich freilich dieser Position anzuschließen. Dass der Dualismus eine reale Option ist, hätte ich ebenso wenig geglaubt, wie dass der Panpsychismus ernsthaft diskutiert wird. Beide akzeptiere ich als reale Möglichkeit, zumindest sind sie deutlich plausibler als irgendeine Form von Hardcore Materialismus.
Um das Ganze nicht zu lang werden zu lassen, füge ich kurz noch die Option hinzu, die mir persönlich am wahrscheinlichsten erscheint, und das ist der Pluralismus. Die Welt ist wahrscheinlich so bunt, wie sie uns erscheint, es gibt keine grundlegenden "Prinzipien", aus denen sich alles erklären lässt. Markus Gabriel hat dies in seinem Buch Sinn und Existenz ausführlich begründet. Bosonen sind demnach genauso real und objektiv wie Zahlen, Gedichte, moralische Normen, Schönheit, Parlamente, Gefühle... Es gibt auch keinen Goldstandard der "wirklichen" Existenz wie z.B. die bewusstseinsunabhängige Realität oder ähnliches.