Multiple Realisierung

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Jörn Budesheim
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Fr 5. Jan 2024, 18:45

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 18:42
Wenn Sie mit meiner Deutung des Leib-Seele-Problems nicht übereinstimmen, worin besteht es dann für Sie?
Ich hatte gestern dazu ein paar kleinere Skizzen gemacht, die ich jetzt nicht gerne wiederholen/nochmal aufschreiben möchte, deswegen zitiere ich mich selbst.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 12:11
Leib-Seele-Problem
Psychophysisches Problem
Mensch-Maschine-Problem
Problem des Bewusstseins
Problem der Subjektivität
Problem der Intentionalität
Problem der Qualia

Das Problem, um das es hier geht, wird unter verschiedenen Überschriften verhandelt, die zum Teil unterschiedliche Aspekte betonen.

Im Laufe des Fadens wurde geleugnet, dass es eigentlich ein Problem gibt. Worin besteht es? Im Video mit Koch heißt es sogar, dass das Bewusstsein im Vergleich zu den anderen Entitäten des Universums bizarr ist. Mit ein paar Schlagworten (offenen Listen) möchte ich die Unterschiede skizzieren:

Die Gegenstände der Naturwissenschaften sind anonym, messbar/quantifizierbar, objektiv, raum-zeitlich, naturgesetzlich. Erleben, Geist, Bewusstsein oder wie auch immer man es nennen will, ist dagegen (vermutlich nicht nur bei Wesen wie uns) sinnhaft, qualitativ, subjektiv, intentional...

Angesichts dieser großen Unterschiede stellt sich natürlich die Frage wie der Geist in die Natur passt.

Christoph Koch macht einen Aspekt der Unterschiede an folgendem Beispiel deutlich: "Das Bewusstsein unterscheidet sich so sehr von seinem physischen Substrat. Wenn ich blau sehe, ist das etwas völlig anderes als der Zustand, in dem sich mein Gehirn befindet, wenn ich blau erlebe. Es sind einfach zwei grundverschiedene Dinge. Auf der einen Seite feuern Neuronen und Synapsen, die Neurotransmitter freisetzen. Auf der anderen Seite hat man dieses bewusste Erleben."

Aber ich denke, man sollte sich nicht nur auf das subjektive Erleben fokussieren, so fantastisch das auch ist, ein anderer Aspekt ist der der Intentionalität. Unsere Bewußtseinserfahrungen beziehen sich in der Regel auf etwas, sie haben einen Gegenstand. Mit anderen Worten, sie können wahr oder falsch sein, und damit sind wir schon bei den Gesetzen der Wahrheit: der Logik.

Manchmal werden die Unterschiede als Unterschiede in den Perspektiven erläutert: die Naturwissenschaften betrachten ihre Objekte von der Seite, in der anonymen Perspektive der dritten Person. Das ist eine Perspektive, die wir einnehmen können, aber unser Leben besteht aus mehr: Ich-, Du-, Wir-Perspektive sind für uns essentiell. Mit Perspektive ist hier natürlich nicht irgendeine Form von Billig-Relativismus gemeint.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 14:05
Ich hatte weiter oben schon von der integrierten Informationstheorie geschrieben, hier ein Ausschnitt aus der Einleitung des Buchs von Christof Koch, Bewusstsein, Warum es weit verbreitet ist, aber nicht digitalisiert werden kann, 1. Aufl. 2020

"Angesichts der ungeheuren Komplexität der Gehirne von „einfachen“ Tieren unterstellt die IIT Erleben bei Papageien, Rabenvögeln, Oktopussen und Bienen. Bei Quallen ist das Nervensystem noch ein einfaches Nervennetz, daher ist ihr Erleben wohl entsprechend weniger ausgeprägt. Doch selbst einzellige Mikroorganismen bergen in ihrer Hülle eine enorme molekulare Komplexität, daher fühlen auch sie sich vermutlich ein klitzekleines bisschen wie 'etwas'."

Wenn Koch und Tononi Recht haben, dann ist Bewusstsein viel weiter verbreitet, als man für gemeinhin denkt.

[Quallen haben ein Nervensystem, sie haben Sinnesorgane, aber kein Gehirn, Mikroorganismen natürlich ebenso wenig, dennoch haben sie nach Ansicht dieser beiden Forscher Formen von Bewusstsein. Mit anderen Worten Bewusstsein ist entgegen der gängigen Behauptungen in diesem Faden nach Ansicht dieser beiden Experten nicht notwendig]
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 13:20
In diesem Faden geht es um eine bestimmte Kritik an der Identitätstheorie in der Philosophie des Geistes. In diesem Video geht es um den logischen Ort der fraglichen Theorie.



Text zum Video: "DIE WIRKLICHKEIT DES GEISTES

Schon die Denker der Antike fragten sich, ob die Seele vom Körper verschieden sei, vielleicht sogar den Tod des Körpers überleben könnte. Wie kommt es, dass unser Gehirn etwas erlebt und fühlt? Hat der menschliche Geist eigenständige kausale Kräfte oder ist er nur ein wirkungsloses Nebenprodukt des Gehirns? Können die Gesetze der Physik vom Geist außer Kraft gesetzt werden? Drei klassische Positionen werden dargestellt und kritisch hinterfragt: Dualismus, Identitätstheorie und der Materialismus, der die Existenz des Geistes leugnet.

Eine Vorlesungsreihe in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Philosophie, München.

Prof. Godehard Brüntrup SJ ist Professor für Metaphysik sowie Philosophie der Sprache und des Geistes an der Hochschule für Philosophie, München."
Wolfgang Detel, Grundkurs Philosophie, Philosophie des Geistes und der Sprache hat geschrieben : Typen-Identitätstheorie (Typen-Physikalismus)
  1. Mentale Typen (Eigenschaften) sind nichts weiter als bestimmte physikalische Typen (Eigenschaften).
  2. Das mentale Vokabular kann in ein synonymes physikalistisches Vokabular übersetzt werden.
Die Typen-Identitätstheorie behauptet etwa: Die Eigenschaft als Typus, Furcht zu empfinden, ist nichts weiter als die Eigenschaft, in der Amygdala des Gehirns einen Typus bestimmter neuronaler Aktivitäten aufzuweisen. Akzeptiert man den Typen-Physikalismus, so gibt es kein eigenständiges mentales Vokabular. Der Typen-Physikalismus ist eine robuste materialistische und reduktionistische Theorie.




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 19:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 17:21
Du schreibst, wenn die Identitätstheorie (nicht falsch, also) richtig sein soll, dann muss die seelisch Verfassung durch genau einen körperlichen Zustand realisiert werden. Ich schreibe, es ist die Sicht der Identitätstheorie, die Putnam kritisiert, dass die seelische Verfassung nur durch einen einzigen Zustand realisiert werden kann.

Wo ist da der Unterschied?
Der Satz "Wenn die Identitätstheorie nicht falsch sein soll..." ist ja nicht meine Meinung über die Identitätstheorie, sondern eine logische Umformulierung von Putnams Argument.

Der Satz ist nicht die Sicht der Identitätstheorie, sondern Putnams Kritik an ihr.

Zur Erinnerung: Der Umkehrschluss des Modus ponens "aus A folgt B" lautet "aus nicht B folgt nicht A".
[A→B]⇔[(¬B)→(¬A) ]

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 17:21
Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 3. Jan 2024, 07:27
Putnams Einwand gegen diese These war, dass dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden, wenn die Identitätstheorie wahr wäre.
Hier schreibst du aber gerade das Gegenteil und das hat mich irritiert.
Nein, das ist das Gleiche, nicht das Gegenteil. Ich spreche hier ja von Putnams Einwand, nicht von der Identitätstheorie.




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Jörn Budesheim
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Fr 5. Jan 2024, 19:25

Meine Sicht: Wenn die Identitätstheorie wahr wäre, müssten dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) immer durch gleiche körperliche Zustände realisiert werden. Und das ist nicht der Fall. Darin bestand Putnams Einwand gegen diese These.

Deine Sicht: Putnams Einwand gegen diese These war, dass dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden, wenn die Identitätstheorie wahr wäre.

(Wenn man es nur etwas grammatikalisch umformt, sieht man leicht, dass hier etwas nicht stimmt: Wenn die Identitätstheorie wahr wäre, würden dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert.)

Wie auch immer: Ich schätze, darauf können wir uns nicht einigen :) und da wir entgegengesetzte Vorstellungen davon haben, was Putnam eigentlich meint, dürfte es natürlich schwerfallen, das Thema gewinnbringend gemeinsam weiter zu verfolgen.




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 21:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 19:25
Meine Sicht: Wenn die Identitätstheorie wahr wäre, müssten dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) immer durch gleiche körperliche Zustände realisiert werden. Und das ist nicht der Fall. Darin bestand Putnams Einwand gegen diese These.
Ja, das ist Deine Sicht und Putnams Sicht. (Ob eine multiple Realisierung tatsächlich der Fall ist oder nicht, wäre eine separate Frage. Das Argument setzt das aber freilich voraus.) Was nun als "Deine Sicht", also meine Sicht, folgt, ist lediglich eine bedeutungsgleiche Umformulierung Deiner Sicht.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 19:25
Deine Sicht: Putnams Einwand gegen diese These war, dass dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden, wenn die Identitätstheorie wahr wäre.

(Wenn man es nur etwas grammatikalisch umformt, sieht man leicht, dass hier etwas nicht stimmt: Wenn die Identitätstheorie wahr wäre, würden dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert.)
Da lässt Du schon wieder den Hauptsatz weg, auf den sich diese Aussage bezieht: "Putnams Einwand gegen diese These war,..."

Eine korrekte grammatikalische Umformulierung würde also lauten: Putnams Einwand gegen diese These war, dass, wenn die Identitätstheorie wahr wäre, dieselben mentalen Verfassungen durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden.

Und darin besteht eben der Widerspruch, auf den Putnam hinaus will und den Du oben zum Ausdruck gebracht hast: Weil dieselbe mentale Verfassung nicht durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden kann (das ist Putnams These), kann die Identitätstheorie nicht wahr sein (das ist Putnams Schlussfolgerung).

Nochmal die formallogische Formulierung: [A→B]⇔[(¬B)→(¬A) ]
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 19:25
Wie auch immer: Ich schätze, darauf können wir uns nicht einigen :) und da wir entgegengesetzte Vorstellungen davon haben, was Putnam eigentlich meint, dürfte es natürlich schwerfallen, das Thema gewinnbringend gemeinsam weiter zu verfolgen.
Ich glaube, dass Du Dir das einfach noch einmal konzentriert durchlesen solltest :-)




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 22:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 18:45
Ich hatte gestern dazu ein paar kleinere Skizzen gemacht, die ich jetzt nicht gerne wiederholen/nochmal aufschreiben möchte, deswegen zitiere ich mich selbst.
In Deinen Selbstzitaten kann ich keinen Unterschied zu meiner Deutung des Leib-Seele-Problems feststellen. Was ich das "Innen" oder subjektive Erleben nenne, heißt bei Dir Bewusstsein oder Intentionalität. Was ich das "Außen" oder die körperliche Welt nenne, heißt bei Dir Objekte oder 3.-Person-Perspektive.

Vielleicht kannst Du noch einmal in eigenen Worten verdeutlichen, worin Du einen Unterschied zwischen unseren Positionen siehst.




Timberlake
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Fr 5. Jan 2024, 22:42

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 18:05

(Was Sie mit Bezug auf Hegel geschrieben haben, verstehe ich schlichtweg nicht.)
Ok ..
  • "So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des Falschen wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch gegen ein vorhandenes philosophisches System zu erwarten und in einer Erklärung über ein solches nur entweder das eine oder das andere zu sehen. Sie begreift die Verschiedenheit philosophischer Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Entwicklung der Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den Widerspruch sieht. Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man könnte sagen, daß Jene von dieser widerlegt wird; ebenso wird durch die Frucht die Blüte für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese Formen unterscheiden sich nicht nur, sondern verdrängen sich auch als unverträglich miteinander. Aber ihre flüssige Natur macht sie zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus"
    Hegel .. Phänomenologie des Geistes

.. dann versuche ich mich mal mit Hilfe von dem , was sie geschrieben haben, verständlich zu machen ..
Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 18:05
Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 16:20
Wie kann aus Unterschiedlichem Gleiches entstehen ? Das geht für mich logisch nicht auf.
Meine Analogie dazu war das Abspielen eines Liedes. Dies ist von Platte möglich, von Kassette, CD, Smartphone - ganz unterschiedliche technische Konzepte und Prozesse, die am Ende dasselbe Ergebnis haben, nämlich das akustische Ereignis ein und desselben Liedes.
Wenn es bei Hegel heißt , dass mit dem Hervorbrechen der Blüte, die Knospe verschwindet , so wäre das in etwa mit dem vergleichbar , wie das mit dem Abspielen eines Liedes über den Lautsprecher die elektrischen Schwingungen verschwinden, aus denen das Lied hervorgebrochen ist. Sei es nun , dass diese elektrischen Schwingungen von einer Kassette, einer CD oder von wo auch immer abgerufen wurden. Was will ich damit sagen. In dem das Eine aus dem Anderen hervorgeht, kann beides nicht zur selben Zeit existieren. So können auch nicht die Gedanken , die aus einem Aktivitätsmuster des Gehirn hervorbrechen , nicht zur gleichen Zeit existieren wie das Aktivitätsmuster. Auch reden wir , obgleich in der Form unterschiedlich zugleich von einer organischen Einheit . Einer Einheit , bei der das Eine so notwendig als das Andere ist. Keine Aktivitätsmuster des Gehirns , keine Gedanken / keine Knospe , keine Blüte / keine elektrischen Schwingungen , kein Lied ... Wenn vielleicht nicht im selben Maß plausibel , um gekehrt dasselbe , keine Gedanken , kein Aktivitätsmuster / keine Blüte , keine Knospe / kein Lied , keine elektrischen Schwingungen ... . Was ich mit Bezug auf Hegel geschrieben habe ist somit dasselbe, was dazu das Abspielen eines Liedes war und zwar eine Analogie. So einfach ist das.
Zuletzt geändert von Timberlake am Fr 5. Jan 2024, 23:09, insgesamt 1-mal geändert.




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 23:08

Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 22:42
Wenn es bei Hegel heißt , dass mit dem Hervorbrechen der Blüte, die Knospe verschwindet , so wäre das in etwa mit dem vergleichbar , wie das mit dem Abspielen eines Liedes über den Lautsprecher die elektrischen Schwingungen verschwinden, aus denen das Lied hervorgebrochen ist. Sei es nun , das diese elektrischen Schwingungen von einer Kassette, einer CD oder von wo auch immer abgerufen wurden. Was will ich damit sagen. In dem das Eine aus dem Anderen hervorgeht, kann beides nicht zur selben Zeit existieren. So können auch nicht die Gedanken , die aus einem Aktivitätsmuster des Gehirn hervorbrechen , nicht zu gleichen Zeit existieren wie das Aktivitätsmuster. Auch reden wir , obgleich in der Form unterschiedlich zugleich von einer organischen Einheit . Einer Einheit , bei der das Eine so notwendig als das Andere ist. Keine Aktivitätsmuster des Gehirns , keine Gedanken / keine Knospe , keine Blüte / keine elektrischen Schwingungen , kein Lied ... Wenn vielleicht nicht im selben Maß plausibel , um gekehrt das selbe , keine Gedanken , kein Aktivitätsmuster / keine Blüte , keine Knospe / kein Lied , keine elektrischen Schwingungen ... . So einfach ist das.
Nach meinem Verständnis besagt die Identitätstheorie nicht, dass die neuronalen Aktivitätsmuster etwas Anderes erzeugen, sondern dass die mentale Verfassung ein weiterer Aspekt des körperlichen Zustandes ist. Eine Möglichkeit dies ontologisch zu fassen wäre der Vorschlag von David Chalmers, dass Elementarteilchen eine Art Bewusstseinskomponente enthalten, soz. ein moderner Panpsychismus.




Timberlake
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Fr 5. Jan 2024, 23:15

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:08
Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 22:42
Wenn es bei Hegel heißt , dass mit dem Hervorbrechen der Blüte, die Knospe verschwindet , so wäre das in etwa mit dem vergleichbar , wie das mit dem Abspielen eines Liedes über den Lautsprecher die elektrischen Schwingungen verschwinden, aus denen das Lied hervorgebrochen ist. Sei es nun , das diese elektrischen Schwingungen von einer Kassette, einer CD oder von wo auch immer abgerufen wurden. Was will ich damit sagen. In dem das Eine aus dem Anderen hervorgeht, kann beides nicht zur selben Zeit existieren. So können auch nicht die Gedanken , die aus einem Aktivitätsmuster des Gehirn hervorbrechen , nicht zu gleichen Zeit existieren wie das Aktivitätsmuster. Auch reden wir , obgleich in der Form unterschiedlich zugleich von einer organischen Einheit . Einer Einheit , bei der das Eine so notwendig als das Andere ist. Keine Aktivitätsmuster des Gehirns , keine Gedanken / keine Knospe , keine Blüte / keine elektrischen Schwingungen , kein Lied ... Wenn vielleicht nicht im selben Maß plausibel , um gekehrt das selbe , keine Gedanken , kein Aktivitätsmuster / keine Blüte , keine Knospe / kein Lied , keine elektrischen Schwingungen ... . So einfach ist das.
Nach meinem Verständnis besagt die Identitätstheorie nicht, dass die neuronalen Aktivitätsmuster etwas Anderes erzeugen, sondern dass die mentale Verfassung ein weiterer Aspekt des körperlichen Zustandes ist. Eine Möglichkeit dies ontologisch zu fassen wäre der Vorschlag von David Chalmers, dass Elementarteilchen eine Art Bewusstseinskomponente enthalten, soz. ein moderner Panpsychismus.
Aus was bricht denn eine mentale Verfassung hervor, wenn nicht mit einem körperlichen Zustand .. in einer Form (Hegel) .. von etwas völlig Anderem? Das Gleiche gilt übrigens auch für die Elementarteilchen, aus denen möglicherweise eine mentale Verfassung und somit eine Art Bewusstseinskomponente hervorbricht. Wenngleich die Bezeichnung "eine Art Bewusstseinskomponente " das verschwurbelt, was Hegel mit unterschielichen Formen strikt aus einderhält. "Ein weiterer Aspekt des körperlichen Zustandes " verschwurbelt übrigens auch.
Zuletzt geändert von Timberlake am Fr 5. Jan 2024, 23:34, insgesamt 2-mal geändert.




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 23:19

Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:15
Aus was bricht denn eine mentale Verfassung hervor, wenn nicht mit einem körperlichen Zustand .. in einer Form (Hegel) .. von etwas völlig Anderem?
Ich verstehe die Semantik dieses Satzes nicht.




Timberlake
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Fr 5. Jan 2024, 23:31

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:19
Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:15
Aus was bricht denn eine mentale Verfassung hervor, wenn nicht mit einem körperlichen Zustand .. in einer Form (Hegel) .. von etwas völlig Anderem?
Ich verstehe die Semantik dieses Satzes nicht.
Was gibt es da nicht zu verstehen ? Ein körperlicher Zustand ist doch wohl noch , in seiner Form , etwas völlig anderes , als eine mentale Verfassung! Gleichwohl eine mentale Verfassung zweifelsohne aus einem körperlichen Zustand hervorgeht, Aus was denn auch sonst.




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 23:43

Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:31
Was gibt es da nicht zu verstehen ? Ein körperlichen Zustand ist doch wohl noch , in seiner Form , etwas völlig anderes , als eine mentale Verfassung! Gleichwohl eine mentale Verfassung zweifelsohne aus einem körperlichen Zustand hervorgeht, Aus was denn auch sonst.
Dass ein körperlicher Zustand etwas völlig anderes sei als eine mentale Verfassung ist die Grundthese des Dualismus. Dieser Stand hier doch gar nicht zur Debatte.

Wollen Sie nun behaupten, dass eine mentale Verfassung zweifelsohne aus einem körperlichen Zustand als etwas Anderes hervorgeht? Sind damit die übrigen Positionen der Philosophie des Geistes also bereits widerlegt?




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Fr 5. Jan 2024, 23:57

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:43
Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:31
Was gibt es da nicht zu verstehen ? Ein körperlichen Zustand ist doch wohl noch , in seiner Form , etwas völlig anderes , als eine mentale Verfassung! Gleichwohl eine mentale Verfassung zweifelsohne aus einem körperlichen Zustand hervorgeht, Aus was denn auch sonst.
Dass ein körperlicher Zustand etwas völlig anderes sei als eine mentale Verfassung ist die Grundthese des Dualismus. Dieser Stand hier doch gar nicht zur Debatte.

Wollen Sie nun behaupten, dass eine mentale Verfassung zweifelsohne aus einem körperlichen Zustand als etwas Anderes hervorgeht? Sind damit die übrigen Positionen der Philosophie des Geistes also bereits widerlegt?
... "widerlegt" ist damit zunächsteinmal noch gar nichts ..
  • "Der Anfang der Bildung und des Herausarbeitens aus der Unmittelbarkeit des substantiellen Lebens wird immer damit gemacht werden müssen, Kenntnisse allgemeiner Grundsätze und Gesichtspunkte zu erwerben, sich nur erst zu dem Gedanken der Sache überhaupt heraufzuarbeiten, nicht weniger sie mit Gründen zu unterstützen oder zu widerlegen, .."
    Hegel .. Phänomenologie des Geistes
Wie von Hegel angedacht, habe ich lediglich damit dazu beitragen wollen, Kenntnisse allgemeiner Grundsätze und Gesichtspunkte zu erwerben. Das stand bei mir bisher zur Debatte.




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Jörn Budesheim
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Sa 6. Jan 2024, 09:17

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 22:07
In Deinen [Beschreibungen] kann ich keinen Unterschied zu meiner Deutung des Leib-Seele-Problems feststellen.
Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 22:07
Vielleicht kannst Du noch einmal in eigenen Worten verdeutlichen, worin Du einen Unterschied zwischen unseren Positionen siehst.
Okay! Ich finde, der Unterschied ist eklatant, im Grunde schreibst du fast das Gegenteil von dem, was ich schreibe. Du nimmst mit Deiner Beschreibung nach meinem Verständnis schon eine bestimmte Position in der Philosophie des Geistes ein, während ich zumindest versucht habe, einigermaßen neutral zu schreiben. Ich wette keine großen Summen, dass mir das gelungen ist.

Die Position, die du in der Beschreibung selbst einnimmst, schließt schon eine ganze Reihe anderer Positionen aus. Hier ein Beispiel: Du hast das Video von Alva Noë gesehen, und diese Position passt nicht zu Deiner Innen-Außen-Semantik. Eines seiner Videos zu diesem Thema heißt "Getting Out of Our Heads". Er benutzt zwei verschiedene Metaphern, um seine Position zu veranschaulichen: Das Bewusstsein im Kopf zu suchen, ist wie den Wert des Geldes in der Struktur des bedruckten Papiers zu suchen. Oder: Das Bewusstsein im Gehirn zu suchen, ist wie das Tanzen in den Muskeln des Tänzers zu suchen. Deine Innen-Außen-Semantik schließt diese Position aus der Beschreibung aus.

Dasselbe gilt z.B. für meine phänomenologi[sti]sche Beschreibung des Erlebens eines Frühlingstages. Diese Beschreibung wendet sich explizit gegen deine Innen-Außen-Semantik. Diese Position, mit der ich sympathisiere, ist also bei dir schon in der Beschreibung der Problemlage ausgeschlossen!

Ein anderes Beispiel wäre der Begriff der Intentionalität, auch da nimmst du anscheinend eine bestimmte Position ein, nämlich dass Internationalität irgendwie innen ist, während z.B. die Position, die ich vertrete, damit explizit ausgeschlossen wird. Wenn ich z.B. an diesen Stuhl dort denke, dann ist der Stuhl selbst Gegenstand des Gedankens und der Stuhl ist sicher nicht in meinem Kopf oder in meinem Bewusstsein. Wir müssen an dieser Stelle auch nicht darüber streiten, welcher der beiden Begriffe angemessener ist. Es reicht, zu sehen, dass mein Begriff der Intentionalität aus deiner Beschreibung ausgeschlossen ist.

Sicherlich sind meine verschiedenen Beschreibungen des Leib Seele Problems - oder wie auch immer man es nennen sollte - auch nicht perfekt, das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass deine Beschreibung und meine Beschreibungen extrem weit auseinander liegen.

Wenn deine Beschreibung mit innen und außen richtig ist, dann ist praktisch alles, was ich dazu denke, schon auf der Ebene der Beschreibung der Problemlage falsch. Und wenn das, was ich denke, richtig ist, dann ist die Beschreibung von innen und außen falsch. Mit anderen Worten: Wir nehmen einander ausschließende Positionen ein.




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Sa 6. Jan 2024, 09:35

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 21:47
Eine korrekte grammatikalische Umformulierung würde also lauten: Putnams Einwand gegen diese These war, dass, wenn die Identitätstheorie wahr wäre, dieselben mentalen Verfassungen durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden.
Ich werde dazu nichts mehr schreiben, es sei denn, du versuchst eine andere grammatikalische Umformulierung. Das muss aber nicht sein. Wir können das Thema auch ad acta legen, offensichtlich ist unser Sprachgefühl hier zu unterschiedlich.




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Sa 6. Jan 2024, 10:47

Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 23:15
Aus was bricht denn eine mentale Verfassung hervor, wenn nicht mit einem körperlichen Zustand...
Z.B aus einer anderen "mentalen Verfassung". Wenn beispielsweise Max einen Witz erzählt und Moritz lacht, dann entsteht "die mentale Verfassung" des Amüsiert-Seins aus der mentalen Verfassung des Witze-Erzählens. Hier noch andere Beispiele von einem Neurobiologen:
Neurobiologe Joachim Bauer hat geschrieben :
Nicht nur in Afrika, auch bei uns gilt der berühmte Satz: Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Das heisst, nicht nur die Eltern sind gefordert. Grosse Bedeutung kommt daher auch den Betreuungseinrichtungen zu.

[...]

Um Selbstkontrolle erlernen zu können, benötigen Kinder allerdings zuerst ein Selbst. Dieses kann sich nur entwickeln, wenn das Kind in den ersten beiden Lebensjahren eine liebevolle Bindung zu Bezugspersonen aufbauen konnte, die es spiegeln und dabei spüren lassen: «Das bin ich!» Ab dem dritten Lebensjahr kann und muss das Kind dann liebevoll, aber auch konsequent angeleitet werden, die Perspektive anderer Personen zu berücksichtigen, also zu warten, zu teilen und seine Impulse zu bremsen. Die im präfrontalen Cortex angelegten Möglichkeiten auszuschöpfen, Kinder also zu erziehen, ist keine zivilisatorische Tünche, sondern Teil der biologischen Bestimmung des Menschen.

[...]

https://www.nzz.ch/feuilleton/und-der-w ... -ld.888208
Mit anderen Worten, "die mentale Verfassung" des Kindes wird durch die "mentale Verfassung" der anderen produziert. Mit noch anderen Worten, der Geist des Kindes wird durch den Geist der anderen hervorgebracht. Dasselbe gilt für das Gehirn des Kindes, das Gehirn des Kindes wird durch den Geist der anderen geformt. Es ist der Geist, der das Gehirn formt. Ein Gehirn ohne geistige Nahrung verkümmert.

Der Geist der anderen ist immer zuerst da, er ist schon da, wenn wir geboren werden, und wir können uns nicht zu einem gesunden Erwachsenen entwickeln, wenn dieser Geist neben anderem uns nicht zu einem freien Menschen formt.




Burkart
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Sa 6. Jan 2024, 10:52

Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 00:19
Burkart hat geschrieben :
Mi 3. Jan 2024, 22:28
Die Frage ist für mich: Wo also soll das Problem sein bei "Materie zu subjektivem Empfinden"?
(Empfinden ist halt "nur" etwas Subjektives, also wie der einzelne Mensch sich aktuell 'fühlt' (gerne im weiteren Sinn), also sozusagen die irgendwie gewichtete Gesamtsumme aller seiner derzeitigen Einzelgefühle aller seiner Organe o.ä.)
Ich möchte auf das sehr gute von Jörn Budesheim in diesen Thread gestellte Video mit Alva Noë verweisen, in dem über genau dieses Thema diskutiert wird.

Alva Noë fragt hier den Interviewer, wie ein (unendlich fortgeschrittener) Ingenieur eine Maschine konstruieren müsste, damit diese ein Bewusstsein oder subjektives Empfinden hat. Für mich offenbart sich in dieser Frage deutlich das Problem, warum eine wie auch immer geartete Ansammlung von Materie subjektives Erleben hervorbringen sollte. Dabei spielt es in meinen Augen keine Rolle, ob es ein hoch oder niedrig entwickelter Geist ist.
Ab wann und warum werden bspw. aus Computern oder Robotern Wesen mit einem künstlichen Geist?
Gegenfrage: Ab wann und warum haben biologische, natürliche Wesen denn einen Geist? Warum soll man deine Frage klar beantworten können, wenn man meine nicht klar beantworten kann?
Insofern scheint es irgendwie nicht die richtige Frage zu sein bzw. man verrennt sich in den Begriff "Geist", der einfach zu unklar ist - anstelle einfachere Fragen zu stellen und diese (versuchen) zu beantworten, z.B. hinsichtlich funktionaler Aspekte.
Ein weiterer Aspekt der Diskussion in dem Video ist, dass das Gehirn wohl nicht alleine entscheidend für die Erzeugung des subjektiven Erlebens sein dürfte, wie man es sich vielleicht heute so vorstellen mag.
Ich weiß nicht, was du mit "heute so vorstellen" genau meinst. Natürlich gehört zum Gehirn bzw. zum ganzen Menschen (Tier, ...) auch vernünftiger Input, mit dem er was Sinnvolles anfangen kann, z.B. hinsichtlich seiner Wünsche, Bedürfnisse, Ziele, z.B. dass Essen ihm sein Hungergefühl vertreibt.
Nur was soll daran so mysteriös bzw. unklar sein?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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Sa 6. Jan 2024, 11:51

Ich will das Beispiel mit dem Witz noch mal etwas weiterspinnen. Dazu möchte ich auch das Argument von Putnam in meiner Version nutzen. In meiner Version besagt es, einfach formuliert, dass ein und derselbe geistige Zustand verschieden "materiell realisiert" sein kann. Gemäß der Quelle, die ich weiter oben angegeben habe, ist das auch empirisch gut belegt.

Hier eine Quelle, die erläutert was mit der Identitätstheorie gemeint ist:
Wolfgang Detel, Grundkurs Philosophie, Philosophie des Geistes und der Sprache hat geschrieben : Typen-Identitätstheorie (Typen-Physikalismus)
  1. Mentale Typen (Eigenschaften) sind nichts weiter als bestimmte physikalische Typen (Eigenschaften).
  2. Das mentale Vokabular kann in ein synonymes physikalistisches Vokabular übersetzt werden.
Die Typen-Identitätstheorie behauptet etwa: Die Eigenschaft als Typus, Furcht zu empfinden, ist nichts weiter als die Eigenschaft, in der Amygdala des Gehirns einen Typus bestimmter neuronaler Aktivitäten aufzuweisen. Akzeptiert man den Typen-Physikalismus, so gibt es kein eigenständiges mentales Vokabular. Der Typen-Physikalismus ist eine robuste materialistische und reduktionistische Theorie.
Max erzählt Moritz einen Witz:

Descartes betritt eine Bar. Der Barkeeper fragt: "Möchten Sie etwas trinken?" Descartes antwortet: "Ich denke nicht", und verschwindet.

Moritz lächelt. Nach der Identitätstheorie, wie ich sie verstehe, könnte man bei einer physikalistischen Beschreibung der Situation im Grunde den Witz weglassen und alles durch eine rein physikalische Beschreibung ersetzen. Wenn aber Putnams Einwand (so wie ich ihn verstehe) zutrifft und die empirische Evidenz stimmt, dann kann und wird der Witz in Moritz' Gehirn ganz anders "realisiert" (falls das eine gute Formulierung ist) sein als in Max' Gehirn.

Worüber lacht Moritz dann? Meiner Meinung nach lacht er nicht über den Zustand von Max' Gehirn, sondern über den Witz. Das ergibt sich direkt aus Putnams Einwand und der empirischen Evidenz. Wenn das stimmt, wovon ich ausgehe, dann hat in diesem Fall ein mentales Ereignis, nämlich der Witz, ein anderes mentales Ereignis, nämlich das Lächeln von Moritz, ausgelöst.

Jemand, der nicht schon naturalistisch-philosophisch verdreht ist, könnte hier einwenden: War das nicht sowieso klar? Wie auch immer...

Das Gehirn von Moritz ist dabei, metaphorisch gesprochen, so etwas wie ein Empfangsgerät, das es ihm ermöglicht, den Witz zu erfassen. Dabei erfasst Moritz den Witz und nicht die Erfassung des Witzes. So wie wir auch nicht unser Sehen sehen, sondern im Erfolgs- und Regelfall die Dinge und Tatsachen selbst. Ich bestreite nicht, dass das Gehirn bei uns notwendig ist, um geistige Gehalte zu erfassen, aber die Gehirnzustände sind nicht identisch mit den geistigen Gehalten, diese sind öffentliche abstrakte Identitäten, die nicht irgendwo in einem wie auch immer gearteten Inneren verborgen sind.




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Jörn Budesheim
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Burkart hat geschrieben :
Sa 6. Jan 2024, 10:52
Nur was soll daran so mysteriös bzw. unklar sein?
Mit anderen Worten, du hast sowohl meine Versuche, einschließlich des Lehrvideos, das ich extra herausgesucht habe, als auch Michaels Versuche, zu erklären, worin das Leib-Seele-Problem besteht, einfach ignoriert und fragst jetzt wieder, als ob niemand je eine Erklärung gegeben hätte, richtig?




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infinitum
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Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 3. Jan 2024, 07:27
Woher rührt nun die enorme Überzeugungskraft von Putnams Argument innerhalb der Philosophie des Geistes?
Putnams Argument hat so große Überzeugungskraft erlangt, da es erstmalig die starre Identität zwischen mentalen und neuronalen Zuständen in Frage stellt. Die Stärke dieses Arguments liegt auch in seiner Betonung der Vielfalt mentaler Phänomene und der Herausforderung, sie auf bestimmte neuronale Muster zu reduzieren.

Verschiedene Arten von Lebewesen können seiner Ansicht nach trotz unterschiedlicher physischer Strukturen vergleichbare mentale Zustände erfahren. Aber ja, es ist schwierig, eine einheitliche neuronale Identität für diverse Bewusstseinsphänomene aufrechtzuerhalten.

Dazu habe ich eventuell noch einen interessanten Absatz bei Searle entdeckt, der sich zwar auf Computer bezieht, aber in der Hinsicht einige Antworten liefert (Geist- Eine Einführung, S. 80f.):
"Die Idee unterschiedlicher Beschreibungsebenen enthält implizit bereits eine weitere Idee, die für die Computertheorie des Geistes von ausschlaggebender Bedeutung ist: die Idee der multiplen Realisierbarkeit. Der entscheidende Punkt ist, dass ein Merkmal höherer Ebene, wie zum Beispiel das Word Programm oder ein Vergaser zu sein, physisch in unterschiedlichen Systemen realisiert werden kann. So kann man sagen, dass ein und dasselbe Merkmal einer höheren Ebene mehrfach, das heisst multipel, in verschiedene Arten von Hardware der tieferen Ebene realisiert werden kann. Multiple Realisierbarkeit scheint ein natürliches Merkmal von Tokenidentitätstheorien zu sein. Die verschiedeneren Typen auf tieferen Ebenen sind vielleicht verschiedene Arten der Realisierung irgendeiner gemeinsamen mentalen Eigenschaft der höheren Ebene. Genauso wie dasselbe Computerprogramm von verschiedenen Arten von Hardware ausgeführt werden kann und also multipel realisierbar ist, so kann derselbe mentale Zustand, wie die Überzeugung, dass es regnen wird, in verschiedenen Arten von Hardware implementiert sein und also multipel realisiert sein."



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Sa 6. Jan 2024, 15:07

Vielleicht kann man an dieser Stelle noch mal den Text aus dem Lehrbuch von Detel hinzufügen: "Die Typen-Identitätstheorie behauptet etwa: Die Eigenschaft als Typus, Furcht zu empfinden, ist nichts weiter als die Eigenschaft, in der Amygdala des Gehirns einen Typus bestimmter neuronaler Aktivitäten aufzuweisen. Akzeptiert man den Typen-Physikalismus, so gibt es kein eigenständiges mentales Vokabular. Der Typen-Physikalismus ist eine robuste materialistische und reduktionistische Theorie."

Nach Detel ist diese Theorie also reduktionistisch. Auf die Frage, wie der Geist in seinen vielfältigen Erscheinungsformen in die Natur passt, wenn er doch ganz andere Eigenschaften zu haben scheint als die Naturgesetze, die die Natur regieren, antwortet diese Theorie, dass der Geist auf natürliche Eigenschaften reduzierbar ist. Ein eigenständiges mentales Vokabular gibt es demnach nicht. In Wahrheit, so diese Sichtweise, lässt sich alles auf den Boden der naturwissenschaftlich erfassbaren Tatsachen zurückführen.

Das wäre eine schlechte Nachricht, denke ich, es würde letztlich darauf hinauslaufen, dass unser geistiges Leben im Grunde eine Illusion ist, wenn wir uns freuen, wenn wir miteinander diskutieren, wenn wir Dinge planen, dann freuen wir uns nicht wirklich, wir diskutieren nicht wirklich und wir planen auch nicht wirklich, in Wirklichkeit spielt sich alles im Grunde der physikalischen Tatsachen ab.

Ich finde den Einwand von Putnam überzeugend, aber ich bin mir nicht sicher, was er wirklich bringt, denn wenn die Typ-Identität vom Tisch ist, bleibt immer noch die Token-Identität im Spiel. Oder nicht? Eine realistische Theorie des Geistes, die auf der Nicht-Reduzierbarkeit verschiedener mentaler Phänomene besteht, ist damit noch nicht in Sicht. Oder irre ich?

(Einen gewissen Fortschritt in dieser Hinsicht stellt die neue Sichtweise von Christof Koch dar, der nun die Irreduzibilität des Bewusstseins betont.)




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