QuelleTeju Cole hat geschrieben : In einem Gespräch über ihre Arbeit an „Open City“ sprachen wir unter anderem über den ersten Satz des Buches, das Epigraph. Auf Englisch steht da: „Death is a perfection of the eye“. Die wörtliche Übersetzung von „Death is a perfection of the eye“ wäre laut Christine „Tod ist eine Perfektion des Auges“. Diesen Satz würden wir vielleicht von Google Translate erhalten. Doch sie spürte, dass diese wörtliche Übersetzung „Tod“ mit „Perfektion des Auges“ gleichsetzte, anstatt die in meinem Original implizierte Entwicklung beziehungsweise Evolution zu verdeutlichen, die „Tod“ als den Weg zu einer Art visionären Vollkommenheit beschreibt. Zuerst fiel ihr „Vollendung“ ein, was einen abgeschlossenen Zustand von erfüllt sein beschreibt. Als sie noch weiter dachte, kam sie auf das Nomen „Vervollkommnung“, das wiederum das Verb „kommen“ enthält und somit die Vorstellung, dass etwas im Prozess ist und erst noch in einen Zustand der Perfektion kommen wird. Und das war genau das Wort, das sie brauchte. Dagegen ist die Übersetzung von „eye“ einfach, oder? „Das Auge“. Doch mit dem Auge in meinem Epigraph war nicht das Sinnesorgan gemeint, sondern das Sehvermögen an sich. Trotzdem hatte ich nicht „sehen“ geschrieben, also wäre die Übersetzung von „of the eye“ mit „des Sehens“ nicht korrekt gewesen. Im Austausch mit unserem Lektor Karsten Kredel entschied sie sich schließlich für ein Wort, dass sowohl den Sinn als auch sein Vermögen beschwört: „der Blick“. Nach sorgfältiger Überlegung lautete die Übersetzung von „Death is a perfection of the eye“ schließlich: „Der Tod ist eine Vervollkommnung des Blickes“. Das war der erste Satz. Danach warteten nur noch ein paar Tausend mehr auf ihre Übersetzung.
Die Kunst der Übersetzung
- Friederike
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Als ich diesen Bericht aus der Arbeit über die Übersetzung eines Satzes las, war ich hin und weg. Was wird aus "Death is a perfection of the eye"? Und wie erst geht es mit Gedichten, bei denen doch sicher das Versmaß berücksichtigt werden muß! Das scheint mir fast noch schwieriger als ein Gedicht zu schreiben.
- Jörn Budesheim
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Ich habe mich vor vielen vielen Jahren selbst mal an diversen Übersetzungen versucht, hier ein Beispiel; dabei war das Hauptproblem der Reim! Deswegen habe ich mir deutlich mehr Freiheiten genommen, als wahrscheinlich erlaubt sind.
Il faut préciser que je n’étais pas seul dans la voiture,
J’etais avec la morte ;
La nuit tournait sans bruit, comme une porte,
Nous traversions les gonds du monde ;
Les cheveux de la nuit,
L’approche du solstice,
Le corps désemparé qui transpire et qui glisse.
Et la nuit était bleue
Comme un poisson nerveux,
La nuit soufflait partout,
Dans tes yeux s’allumait un regard un peu fou.
La nuit était très floue,
La nuit était partout,
Les images glissaient
Comme une rêve de craie.
Cette nuit, nous avons apercu l’autre face.
(Houellebecq)
Es muss gesagt werden, ich war nicht allein im Wagen,
Die Tote saß neben mir.
Die Nacht kreiste leise wie eine Tür,
Wir übertraten die Schwellen der Welt;
Die Haare der Nacht,
Das Nahen der Sonnenwende,
Der Körper schwitzend, gleitend und wehrlos am Ende.
Diese Nacht war frisch
Im schwarzen Blau ein nervöser Fisch,
Ortlos blies diese Nacht,
Ein bisschen verrückt schien der Blick, den dein Auge entfacht.
Diese Nacht war einmal immer da,
Ihre Bilder sind wie Kreide: nicht klar.
Sie durchschritten den Raum
Wie ein vergehender Traum.
In jener Nacht haben wir die andere Seite gesehen.
- Friederike
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Ich lese gerade Adornos Minima Moralia und finde eine hübsche Geschichte, die selbstverständlich bissig-böse endet - wie man es besser machen könnte, weiß ich allerdings auch nicht. "S o gehts nicht".
MM hat geschrieben :
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English spoken. - In meiner Kindheit bekam ich häufig von alten englischen Damen, zu denen meine Eltern Beziehungen unterhielten, Bücher als Geschenk: reichillustrierte Jugendschriften, auch eine kleine grüne Bibel in Saffian. Alle waren in der Sprache der Geberinnen: ob ich ihrer mächtig sei, daran dachte keine von ihnen. Die eigentümliche Verschlossenheit der Bücher, die mit Bildern, großen Titeln und Vignetten mich ansprangen, ohne daß ich den Text hätte entziffern können, erfüllte mich mit dem Glauben, allgemein handle es bei derartigen Büchern sich niemals um solche, sondern um Reklamen, vielleicht für Maschinen, wie mein Onkel in seiner Londoner Fabrik sie herstellte. Seitdem ich in angelsächsischen Ländern lebe und Englisch verstehe, hat dies Bewußtsein sich nicht behoben, sondern gesteigert. Es gibt ein »Mädchenlied« von Brahms, auf ein Gedicht von Heyse, darin stehen die Zeilen: »O Herzeleid, du Ewigkeit! / Selbander nur ist Seligkeit.« In der verbreitetsten amerikanischen Ausgabe wird das so gebracht: »O misery, eternity! / But two in one were ecstasy.« Aus den altertümlich leidenschaftlichen Hauptwörtern des Originals sind Kennworte für Schlager geworden, welche diesen anpreisen. In ihrem angedrehten Licht erstrahlt der Reklamecharakter der Kultur.
- Jörn Budesheim
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Ich hab mich gestern mithilfe eines Übersetzungsprogramms darin versucht. Die Hauptprobleme sind der Reim und meine fehlende "Muttersprachlichkeit". Seligkeit wird übersetzt mit Bliss. Aber wie klingt das in "englischen Ohren"? Keine Ahnung. Es wurden auch eine Reihe von Alternativen geboten ... aber daraus einen Reim bilden, ist schwer.O Herzeleid, du Ewigkeit! / Selbander nur ist Seligkeit
Bei "Selbander" musste ich selbst erst nachschlagen:
selbanders, -anderen
selbst als der Zweite, zu zweit; (mit einer weiteren Person) zusammen, miteinander
Das hilft mir nur bedingt... mir fehlt hier die "Sprachgewohnheit".Beispiel:
dann schritten wir beide, Vater und Sohn, selbander hinaus [ TucholskyPanter220]